Die schrecklichste Waffe der Armleuchter

von Redaktion

Turbulente Farce von Dario Fo in der Theaterinsel Rosenheim

Rosenheim – Selbst in der – in der Premiere schon völlig ausverkauften – „Theaterinsel“ ist es selten, dass das Publikum von Anfang an kichert, lacht und oft lauthals wiehert: So geschehen bei der Premiere von „Bezahlt wird nicht!“ von Dario Fo. Diese sozialkritische Farce über explodierende Preise, Wirtschaftsbetrug und Politikerlügen ist eine hochkomische Mischung aus politischer Utopie und Stegreifkomödie, die ganz in der Tradition des italienischen Volkstheaters steht.

Aberwitzige
Handlungsspiralen

Aus Wut über die sprunghafte Erhöhung der Lebensmittelpreise plündern Antonia und Margherita den Supermarkt. Zu Hause verstecken sie die Ware vor ihren gesetzestreuen Ehemännern Giovanni und Luigi. Als die Polizei beginnt, die Wohnungen zu durchsuchen, beginnt ein rasantes Verwirrspiel, weil Margherita die gestohlenen Lebensmittel unter ihrem Kleid versteckt und damit eine Schwangerschaft vortäuscht. Jetzt schraubt sich deswegen die Handlung in immer absurder werdende und aberwitzigere Spiralen, die Ehemänner vermuten eine Verpflanzung von einem Schwangerschaftsbauch in den anderen, das scheinbar fließende Fruchtwasser ist mit Oliven versetzt, dem Carabiniere wird eine Frühgeburt mit entsetzlichen Schreien vorgespielt und mit dem Fluch der heiligen Eulalia gedroht, bis er tot im Schrank hängt: herrlich schräg und herrlich turbulent.

Schauplatz ist die Arbeiterwohnung von Giovanni und Antonia mit richtiger Türe, immer leeren Küchenschränken, einem Schrank und einem Bett, dazu mit einem nach vorne gerichteten Fenster, durch das immer wieder hinausgerufen wird und durch das alle am Ende in eine vielleicht glücklichere Zukunft schauen. Allerdings verdeckt dieses Fenster oft die Gesichter der Protagonisten. Alle müssen nun in dieser ziemlich engen Wohnküche herumtoben – eine fast zirzensische Herausforderung, die alle aber aufs Beste bewältigen.

Eine Komödie braucht Tempo, eine italienische Komödie braucht noch mehr Tempo. Regisseur Daniel Burton hat seinen Schauspielern dieses Tempo eingebläut – bis auf Oliver Heinke, der, so fordert es der Autor, vier Figuren spielt: den Polizeiwachtmeister, der sich als Kritiker des kapitalistischen Systems entpuppt, den Carabiniere (in bayerischer Bundeswehruniform), der unerbittlich dieses System verteidigt, einen Bestatter, der einen Sarg liefert, in dem die Lebensmittel versteckt werden, und schließlich den alten Vater von Giovanni. Er spielt alles etwas bedachtsam, fast wie eine Kopie von Karl Paryla wirkend, zwar sprachlich akkurat, aber dadurch die Handlung verlangsamend. Die Episode mit dem verunglückten Lastwagen voller Lebensmittel, von dem sich die Ehemänner nach langer Diskussion bedienen, ist zu ausgewalzt – der Regisseur hätte hier am meisten kürzen können von der dreieinhalbstündigen Spielzeit und er hätte das Tempo noch steigern können in gelinde Raserei.

Am meisten Temperament, Tempo, Energie und Lautstärke hat Katharina Reuter als Antonia: Sie treibt unermüdlich die Handlung an und erfindet immer wieder neue Schwangerschaftslügen, ganz im Sinne des Autors: „Die Erregung ist die schrecklichste Waffe der Armleuchter.“ Ihre Energie füllt immer die gesamte Bühne. Olivia Raclot als Margherita reagiert auf Antonia mit verhaltenerem Tempo und ist zum Gaudium der Zuhörer besonders gut im Stöhnen, Schreien und Kreischen und im entsetzten Augenaufreißen.

Linker
Säulenheiliger

Tobias Memming als Giovanni ist ein glaubwürdiger „linker Säulenheiliger“, der politische Gewalt ablehnt und stolz ist, ein Trottel zu sein, der an das Gesetz glaubt, gutmütig, ein netter Kerl eben, aber durchaus wortgewaltig. Fabian Behr ist der bedächtigere und vernünftigere Luigi, dem man den beinahe verhungernden Proletarier körperlich abnimmt.

Am Ende schauen alle in einer Art sozialen Apotheose euphorisch durchs Fenster nach draußen in eine vielleicht glücklichere „Welt, in der man merkt, dass es noch einen Himmel gibt“, und tanzen dann selig auf der Straße: Schön wär’s und lustig war’s!

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