Wasserburg – Christian Springer und Kerstin Schweiger haben in ihrem neuen Buch „Bayerischer Mob: wie die Gewalt in die Politik einzog“ die Übergriffe auf Politiker der vergangenen Jahre gesammelt und mit einer bewegenden Autorenlesung im Wasserburger Gimplkeller vorgetragen.
Organisiert wurde die Lesung vom Bündnis „Wasserburg.bunt“ und dessen Schirmherrn Michael Altinger. Bei Christian Springer und Kerstin Schweiger war es wohl eher Zufall, dass sie sich getroffen haben. Der Kabarettist suchte für seine Installation „Alles rief Heil“ einen sechs Meter hohen Stuhl, der als Mahnung an den Hitlerputsch erinnern soll. Die gelernte Zimmerin Kerstin Schweiger baute das Objekt. Seitdem reist der Stuhl durch Bayern und warnt symbolisch vor den Gefahren für unsere Demokratie: Gewalt, Propaganda und Einschüchterung. Vor 100 Jahren war Adolf Hitler im Bürgerbräukeller auf einen Stuhl gesprungen. Um sich Gehör zu verschaffen, feuerte der spätere nationalsozialistische Diktator mit einer Pistole in Richtung Decke und schrie lauthals: „Die nationale Revolution ist ausgebrochen, die Regierung abgesetzt.“ Der Putschversuch scheiterte tags drauf. Und doch markierte er den Anfang von Hitlers Aufstieg und das kommende Ende einer damals noch jungen Demokratie.
Auch heute geraten die demokratischen Grundwerte in unserer Gesellschaft wieder ins Wanken. In Kerstin Schweiger, die neben dem Zimmererhandwerk auch Bücher schreibt, fand Christian Springer eine ideale Co-Autorin. Angriffe auf Politiker in Deutschland sind längst keine Einzelfälle mehr. Die Zahlen von physischen und verbalen Angriffen haben sich innerhalb von vier Jahren bis 2023 beinahe verdoppelt. Mehr als 1200 Attacken, vor allem verbal, soll es 2023 allein gegen die Grünen gegeben haben. Bei der AfD waren es rund 480 Fälle und bei der SPD wurden 420 erfasst.
Allein schon das Plakatieren von Wahlplakaten kann mittlerweile gefährlich sein. Christian Springer und Kerstin Schweiger haben in ihrem Buch die Fälle in Bayern aufgeschrieben, analysiert und mit den Betroffenen gesprochen.
Die Bandbreite der Angriffe reicht von der Landes- und Bundespolitik bis in die Kommunalpolitik hinein. Verbale Drohungen sind allgegenwärtig. Immer wieder kommt es auch zu Körperverletzungen, die stationär im Klinikum behandelt werden müssen. Die Dunkelziffer ist hoch. Denn nicht selten verzichten Betroffene auf eine Anzeige um nicht weiteren Übergriffen ausgesetzt zu sein: „So was wie Sie gehört erschossen“, sei nur eine Botschaft in einer Vielzahl von E-Mails mit Mord- und Vergewaltigungswünschen, die sie erhalte, klagt eine Münchner Stadträtin, die Springer um Anonymität gebeten hat.
Christian Springer und Kerstin Schweiger suchen nach den Ursachen einer derart widerwärtigen Verrohung im politischen Diskurs. Antworten kommen in ihrem Buch auch von Personen aus unterschiedlichsten Bereichen des öffentlichen Lebens, darunter die Kabarettisten Teresa Reichl und Hans Well, die Journalistenlegende Karl Stankiewitz und andere bekannte Persönlichkeiten.
Die gemeinsame Botschaft ist eindeutig: Ein literarisch ergreifender und beherzter, persönlicher Aufruf gegen Gewalt und Hetze. Um zu verhindert, dass sich die Geschichte wiederholt, sind alle gefordert, für Frieden, Vielfalt und Toleranz in unserem Land einzutreten. Demokratie heiße aber auch friedlich zu bleiben und zu wählen, so Springers Resümee. Wolfgang Janeczka