Die drei Damen von der Baustelle

von Redaktion

Die Kabarettistin Luise Kinseher und ihre fantastischen Schwestern sind mit neuem Programm zu Gast in Prien

Prien – An dem Abend traten sie alle auf: Mary from Bavary, Frau Frese und natürlich die große Schwester Luise Kinseher. Und alle drei Charaktere sorgen sich mehr oder weniger intensiv um dieselbe Baustelle: jenen Riss im Parkett von Luises Wohnung, aus dem am Ende ein Loch und exotisches Biotop entsteht, in dem sogar magische Schwammerl wachsen. „Wände streichen, Segel setzen“ heißt ihr Programm, mit dem sie im Chiemsee-Saal in Prien zu Gast war.

Als Überraschung kommt als erstes Helga Frese auf die Bühne, jene frustrierte Bürgerlady im Trenchcoat mit Sonnenbrille und dem übellaunig hochdeutschen Akzent. Auf Aida-Kreuzfahrt verprasst sie gerade das fette Erbe ihres verstorbenen Gatten und je resignierter ihr Rückblick auf die Zeit mit Heinz ausfällt, desto besser wird die Stimmung im ausverkauften Saal. Eindeutig dominieren an dem Abend die Frauen beim begeisterten Echo und Applaus, und es sind viele junge dabei.

Danach dann der Auftritt und eine enthusiastische Begrüßung der großen Luise Kinseher. Keine Spur von der Schwerkraft, die uns runterzieht, kein bedrohlicher Abgrund, kein schwarzes Loch, doch das hat an diesem Abend ja eh niemand erwartet. „Lachen ist ein kluger Schmuggler von Gedanken“, hat einmal der große Märchenerzähler Rafik Shami gesagt, und was Luise Kinseher auf diesem Weg alles über die Rampe schmuggelt, ist das große fröhliche Wiedersehen mit unserem verrückten Alltag und all seinen Absurditäten und Rätseln. Gut, das machen andere ihrer Zunft auch, doch sie schafft das völlig ohne Zeigefinger, und wenn dann sehr subtil, was sich dann mehr wie eine einträchtige Umarmung anfühlt.

Apropos Alltag: Was sie uns erzählt von sich und den anderen ist unerschöpflich, dabei irgendwie bekannt und doch wieder neu und auf jeden Fall große Unterhaltung. Alles kommt irgendwann dran: Raus aus der Wohnung nach 20 Jahren, arroganter Anwalt, übler Immobilienhai, Hausmeister und Baustelle, Thermomix, Autonomes Fahren, Söder und die Raumstation Bavaria one, Schulsystem, Handyverlust als Nahtoderfahrung, die KI und der IQ, und nebenbei als Zwischenfazit: Der Mensch brauch Probleme, weil: „Problem gelöst = Glücksgefühl!“ Wird von ihr als Methode empfohlen, und geht ganz ohne Verstand.

Vielversprechend auch: Der Ausflug ins Reich der Schwammerl, speziell der Magic Mushrooms. Ein ganz kecker Vorschlag: Die Kuh als neues bayerisches Wappentier, weil erstens weiblich und zweitens ist Widerkäuen ein demokratisches Prinzip. Klingt verwirrend, ist aber alles in ein kunstvolles Erzählgewebe eingeflochten, von dem man nicht genug bekommen kann.

Nach der Pause ist irgendwann auch ihr Tourmanager Simon als Thema dran. Als Warnung verdunkelt der kurz die Bühne, doch als sie seinen Lieblingssong anstimmt, tritt er sogar aus der Kulisse und sie schmettern gemeinsam ein Duett. Für manche im Saal eine Überraschung, was für „Mary from Bavary“ und ihren zweiten Auftritt nicht gilt. Sie ist bei den Kinseher-Fans in ihrem trashigen Morgenmantel längst zur Kultfigur geworden, wenn sie im benebeltem Genuschel ihren „lieben Freunden der Nacht“ die Welt erklärt.

Mit ihr hat Luise Kinseher künftig besonderes vor, denn am Ende unseres Gesprächs hat sie noch verraten: „Ich fange gerade an darüber nachzudenken, was ich als nächstes mache. Und nachdem ich jetzt schon jubiläumsreif bin, also 30 Jahre Bühne, mindestens, so genau habe ich das nie berechnet, deshalb gibt’s als nächstes ein Jubiläumsprogramm. Und weil die Luise Kinseher selber dann nicht mehr so viel machen will, macht das dann die Mary from Bavary.“

Ganz unbegleitet wird die Mary sicher nicht auf Tour gehen, also freuen wir uns auf sie und jede ihrer Begleiterinnen, wer auch immer das im kommenden Jahr sein wird.Klaus Bovers

„Eine Metapher, die gut in unsere Zeit passt“

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