Impression und Klassik

von Redaktion

Priener Ausstellung würdigt Werk der Künstlergeschwister Lisbeth und Friedrich Lommel

Prien – Noch bevor die Kunst der Frauen allgemein in das Interesse der Allgemeinheit trat, wurde in Prien den Künstlerinnen der Künstlerlandschaft Chiemsee gedacht, so in der großen Ausstellung „Künstlerfrauen im Schatten ihrer Männer“ 2012 in der Galerie im Alten Rathaus sowie 2022 im Museum Prien in der Retrospektive: „Künstlerinnen – Starke Frauen in der Künstlerlandschaft Chiemsee“. Bei beiden Ausstellungen war Lisbeth Lommel als eine der ganz großen Malerinnen und Grafikerinnen vertreten. Schon 2011 konnten große Teile ihres Lebenswerks in der Ausstellung „Lisbeth Lommel und Nikolaus Schmid-Dietenheim – Zwei Künstler von der Ratzinger Höhe“ gezeigt werden.

Das Museum in Prien präsentiert nun erneut das Werk dieser Ausnahmekünstlerin zusammen mit den Arbeiten ihres Bruders, des Bildhauers Friedrich Lommel.

Ausbildung im
Künstlerinnenverein

In eine großbürgerliche Familie 1877 in Erlangen hineingeboren, übersiedelte sie im Alter von acht Jahren nach München. Schon früh widmet sie sich den Fremdsprachen, besuchte ab 1893 ein Mädchenpensionat in England und wurde zur Sprachlehrerin ausgebildet. 1901 trat sie in den „Künstlerinnenverein München“ zur Ausbildung bei Karoline Kempter ein, die sie maßgeblich in ihrer Kunstausrichtung und in ihrem Kunststil beeinflusste. Mit der Malklasse Kempter arbeitete sie in den Sommermonaten am Starnberger See und später auch mehrere Sommer in Landsberg am Lech. 1904 legte sie das Staatsexamen als Zeichenlehrerin am Kunstgewerbeverein in München ab und unterrichtete an einer Privatschule für Mädchen. Ab 1906 lebte und arbeitete sie in Dachau und Burghausen.

1918 folgte auch ein Sommeraufenthalt in Wasserburg. Ihre Vorbilder waren – wie bei den meisten Künstlerkollegen – vor allem Vincent van Gogh und Paul Cézanne.

Weitgehend unbekannt ist heute, dass auch die Arbeiten von Edvard Munch, der schon um 1900 seine Arbeiten in Deutschland und auch in München gezeigt hatte, großen Einfluss auf die Künstlerschaft dieser Zeit hatten.

Rückzug ins
Austragshäusl

1922 ist das entscheidende Jahr für die weitere „Karriere“, die eigentlich ein Rückzug aus dem hektischen Stadtleben bedeutete. Sie erwirbt, wohl mithilfe ihres Bruders, ein Austragshäusl auf der Ratzinger Höhe oberhalb von Prien. Hier, in der Natur, findet sie den Mittelpunkt ihres künstlerischen Schaffens, hier entsteht ihr künstlerische Hauptwerk. „Malen, meine einzige wirkliche Lebensfreude“, bekannte sie zu dieser Zeit.

Ihre Bescheidenheit verhindert, dass sie und ihre Arbeiten überregional bekannt werden. Sie beteiligt sich nur an wenigen Ausstellungen, zu denen sie meist ihr Bruder Friedrich Lommel drängt. So auch zu ihrer Beteiligung bei den Ausstellungen der südostbayerischen Künstlergruppe der „Welle“, die von 1922 bis 1933 in ihrem – selbst finanzierten – Ausstellungspavillon auf den Priener Schären Ausstellungen zeigt. Als Gast dieser Gruppe, der ihr Bruder neben Paul Roloff und Bernhard Klinkerfuß, um nur einige zu nennen, angehört, zeigt sie vor allem Druckgrafik und Aquarelle. Ihre kräftigen Ölbilder bleiben zumeist ausgespart.

„Ich habe mich immer als Impressionistin (hier meint sie den deutschen Impressionismus mit Liebermann und Corinth, Anm. der Redaktion) verstanden, wenn man mich schon auf eine Malrichtung festlegen will“, so eine Selbsteinschätzung der Künstlerin. Aber ihr Werk geht weit darüber hinaus.

Es ist ein Spiel mit der Farbe, ein Spiel mit dem Pinsel und ein Spiel mit dem Licht. Ihr Werk grenzt an die Kunst des Expressionismus und überschreitet diese Grenze sogar. Heute würde man ihr Werk wohl unter dem Begriff „expressiver Realismus“ einordnen. Lisbeth Lommel, als Künstlerin weitgehend unbekannt, verstarb 1970 in Prien. Überregionale Bekanntheit erlangte sie – durch ihre Bescheidenheit in Kunst und Leben – nie.

Einziger Bildhauer
der „Welle“

Der Bruder von Lisbeth, Friedrich Lommel, wurde im Mai 1883 ebenfalls in Erlangen geboren und zählte als einziger Bildhauer zu den Gründungsmitgliedern der Künstlergemeinschaft der „Welle“. Nach vorbereitendem gemeinsamen Zeichenunterricht mit seiner Schwester studierte er ab 1903, nach einem Jahr an der Kunstgewerbeschule Basel, an der Münchner Kunstakademie zunächst bei Wilhelm von Rümann und anschließend bei dem bekannten Bildhauer Adolf von Hildebrand. Letzterer beeinflusste das Werk Lommels in erheblichem Maße.

Schon früh wurde Friedrich Lommel zu größeren Aufträgen herangezogen. Sein Meisterstück wurde der Wittelsbacher-Brunnen in Bayreuth, nach dessen Fertigstellung er 1914 die Professorenwürde verliehen bekam. Von seinem Honorar kaufte er noch im selben Jahr einen Bauernhof in Otterkring bei Rimsting. Ab 1926 leitete er die Bildhauerklasse an der Münchner Kunstgewerbeschule.

Lommel war über 20 Jahre Mitglied der „Münchner Sezession“ und beteiligte sich an den großen zeitgenössischen Ausstellungen im Münchner Glaspalast, im Lenbachhaus genauso wie anschließend, ab 1937, an den „Großen deutschen Kunstausstellungen im Haus der deutschen Kunst“ in München. Durch seine klassische, konservative Kunstauffassung reihten sich seine Arbeiten zwanglos in die diffuse Kunstpolitik des Nationalsozialismus ein. Doch trotz seiner regen Ausstellungstätigkeit, seiner Lehrtätigkeit und seiner Profan- und Sakralwerke im öffentlichen Raum blieb Lommels künstlerisches Schaffen nach seinem Tod weitgehend unbeachtet. Friedrich Lommel starb 1967 in Otterkring.

Bis 27. Oktober

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