Ein Roman ist wieein Komposthaufen

von Redaktion

Neues von Christian Lorenz Müller

Rosenheim – Christian Lorenz Müller, 1972 in Rosenheim geboren, in Brannenburg aufgewachsen und jetzt in Salzburg lebend, hat 2014 als vierter Preisträger den Rosenheimer Literaturpreis gewonnen. Nun hat er seinen vierten Roman vorgelegt mit dem Titel „Radieschen-Revolution“. Zum Inhalt: Gerd, der Buchrezensionen schreibt und etwas stachelig im Umgang mit Menschen ist, wird von seiner Freundin Elfi, die als Regieassistentin arbeitet und wesentlich quirliger und „von schlanker Luftigkeit“ ist, überredet, ein Beet in einem Gemeinschaftsgarten zu mieten. Überraschenderweise erweist es sich, dass Gerd einen grünen Daumen hat, körperlich stärker und auch erotischer wird, während Elfie immer mehr im schwarzen Raum ihres Theaters versinkt.

Als eine Nachbarin eine skurrile Intrige gegen den Garten anzettelt, geht Gerd vehement dagegen vor und wird mit Elfi des Gartens verwiesen. Darauf beschließen beide, am Stadtrand einen neuen Garten zu pachten und eine eigene Gartengemeinschaft zu gründen, die ganz wurzeldemokratisch sein soll: eine Radieschen-Revolution eben. Allerdings gedeihen auch hier Neid und Niedertracht, gegen Gerd als Gartenobmann wird intrigiert, alles spitzt sich am Ende wetterdramatisch zu, die sozialistische Radieschen-Revolution droht in einen Krautkopf-Kapitalismus umzukippen – das Ende bleibt hoffnungsvoll offen.

Die Erzählperspektive wechselt ständig zwischen der personalen Erzählhaltung von Gerd und der Ich-Erzählerin Elfi. Alles ist durchwoben von einer hintergründigen Ironie. Immer wieder wird der Garten als lebendiges Gleichnis für menschliche Verhaltensweisen („weil Pflanzen besser waren als Menschen“), aber auch für die Kunst des Schreibens verwendet: „Nichts anderes als ein Komposthaufen war dieser Roman“, formuliert Gerd in einer seiner Buchrezensionen. Wie bei einem Komposthaufen muss der Autor seine Einfälle sammeln, sieben und sichten. Müller verwebt auch noch die Theaterstücke, bei denen Elfie Regie führt, in die Gartenhandlung.

Relativ groß ist die Zahl der handelnden Personen, deren verschiedene Handlungsweisen der Autor humorvoll beschreibt. Dem Lesevergnügen dienen auch die drolligen Kapitelüberschriften. Gerd „hasst ja nichts so sehr wie Sätze, die kompliziert und wichtig daherkommen und oft gerade deshalb überhaupt nichts sagen“. Und so bevorzugt auch der Autor unkomplizierte, aber durchaus hintersinnige Sätze. Je mehr sich Gerd in den Gartenboden hineingräbt, desto saftiger und sinnlicher werden die Sätze des Autors. Und so leichthin, wie die Entstehung einer kleinen Gemeinschaft auf kleinem Grund geschildert wird, so gewichtig ist die gedankliche Übertragung auf die große Menschengemeinschaft. Ein Buch also, das leicht und vergnüglich zu lesen ist, das aber auch verführt, tiefer im Gedanken-Garten zu graben.

rainer w janka

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