„Wir sind wagemutig!“

von Redaktion

Michael Gartner und Roman Linke wollen „Die Schöpfung“ tanzen

Rosenheim – Am Samstag, 2. November, um 19 Uhr wird der Chorkreis St. Quirinus Rosenheim im Kuko Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ aufführen – aber nicht nur gespielt und gesungen, sondern in einer halb szenischen Aufführung auch vertanzt.

Die Leitung hat Michael Gartner, es spielt das von Johannes Berger geleitete Orchester Capella München, tanzen werden die Eleven der Ballettschule Bartosch-Linke. Wie die Idee entstand und wie sie durchgeführt werden wird, erzählen Michael Gartner und Roman Linke.

Wer hatte die Idee?

Michael Gartner: Die Idee zur „Schöpfung“ lag bei meinem Vorgänger Rolf Hamberger. Er hatte es sich eigentlich zur Lebensaufgabe gemacht, dieses Werk aufzuführen. Leider ist es nicht dazu gekommen. Irgendwie war es für mich eine Reminiszenz, mich daran zu wagen.

Und die Idee, die „Schöpfung“ mit Ballett zu begleiten?

Michael Gartner: In diesem Werk steckt soviel kreative Energie, das macht für mich die Türen auf, dies Werk in einem neuen Gewand zu sehen. Und dann kam die Begegnung mit Roman Linke bei einem der von mir organisierten Parkhauskonzerte während der Corona-Pandemie, wo zu einem Orchester getanzt wurde. Da haben wir gesagt: Das könnten wir gemeinsam wagen.

Herr Linke, Sie waren spontan begeistert?

Roman Linke: Ja, weil wir eben diese Zusammenarbeit schon hatten und ich die Verlässlichkeit von Michael gesehen habe. Mit Kindern muss man einen sehr langen Vorlauf haben: Für die zwei Nummern mit Kindern haben wir schon über ein Jahr gearbeitet.

Das heißt, es gibt Nummern für Kinder und für Erwachsene?

Roman Linke: Ja, mit Größeren, das sind Jugendliche, die kurz vor dem Abitur sind. Die sind aus unserer besten Klasse.

Und gibt es auch Nummern für alle?

Roman Linke: Im Finale sind alle zusammen. Wir hatten gestern die erste Probe für die Vogelgestalten, für die Lilli Hartmann die Kostüme gemacht hat. Es war große Aufregung, als die Vogelgestalten auf die Tänzer getroffen sind und sie alle Pläne für die Formationen, die ich gemacht hatte, geschafft haben. Das wird jetzt noch ausgefeilt in den Ferien. Dann wird es brillant werden! (strahlt)

Wie war die Überlegung, welche Nummern mit Ballett begleitet werden sollten?

Michael Gartner: Das gibt eigentlich die Musik vor. Wir wollen immer wechseln zwischen dem, was in der Musik angelegt ist und dabei im Kopf an Bildern entsteht, und den Chornummern, wo viel kommentiert wird. Da war dann relativ schnell klar, dass in den Arien, in denen die wunderbaren Elemente der Schöpfung beschrieben werden, getanzt werden soll: die Gräser, das Wasser, die Vogelgestalten.

Wird die berühmte Stelle „Und es ward Licht!“ auch mit Ballett begleitet?

Michael Gartner: Nicht mit Ballett im Großen – aber mit einer Idee: Für mich steht diese Lichtszene nicht für Tag und Nacht, sondern eigentlich für die Ordnung des Chaos. Wir führen da eine Lichtgestalt ein, die sinnbildlich dafür steht, was in unserem Leben alles möglich ist – zu viel möchte ich aber nicht verraten.

Hatten Sie, Herr Linke, den Eindruck, dass die rhythmische Energie von Haydns Musik geeignet ist für Ballett?

Roman Linke: Ja, unbedingt, das ist eine ganz klare, teilweise ruhige, durchzählbare Musik.

Ich stelle es mir schwierig vor, die Musik punktgenau auf die Ballettbewegungen hin zu dirigieren – oder ist es umgekehrt?

Michael Gartner: Unser Ansatz ist eher umgekehrt. Wir spielen die Musik in ihrem Ursprung und Roman hat sie dazu choreografiert.

Roman Linke: Wir haben ja die Möglichkeiten, dass wir über unsere Maschinen die Musik in der Geschwindigkeit ändern können. Die Kinder sind also vorbereitet, falls das Orchester die Musik mal langsamer oder schneller interpretiert. Deswegen ist es spannend, wenn wir auf die Live-Musik stoßen. Manchmal reagieren die Kinder ja auch auf den Text, zum Beispiel bei dem Regenschirm – (zu Gartner gewendet) darf ich das verraten?

Michael Gartner: (entschieden) Nein!

Das Orchester ist ja die Capella München.

Michael Gartner: Ja, mit modernen Instrumenten. Man braucht für unser Vorhaben ein echt gutes Team. Wir haben ja schon Lilli Hartmann mit ihren Kostümen erwähnt. Auch Stefan Hanusch, unser Regisseur, hat ein unwahrscheinliches Gespür dafür, was alles wie auf der Bühne stattfinden kann. Dazu die Solisten, die wir gewonnen haben mit ihrer Professionalität.

Wo kommen die Solisten her?

Michael Gartner: Thomas Hamberger aus Fürstätt ist ja unser „Haus- und Hof-Bariton“. Eric Price aus München hat schon öfter in unserer Region gesungen und Johanna Duscher ist seine Lebensgefährtin. Das ist alles sehr menschlich verbunden.

Welche Rolle hat der Regisseur?

Michael Gartner: Es geht in erster Linie um das Gesamtkonzept. Wir müssen ja punktuell arbeiten und da ist die Frage: Wo passt es gut, wo gibt es dramaturgische Bögen, wo gibt es Längen? Da hat Stefan Hanusch ein sehr gutes Gespür dafür.

Wird „Die Schöpfung“ ganz gesungen?

Michael Gartner: Nein, wir lassen den letzten, den dritten Teil weg, wo es nochmal um Adam und Eva geht. Mit „Vollendet ist das große Werk“ endet unsere Schöpfung.

Wie hat der Chorkreis St. Quirinus reagiert, als ihm eröffnet wurde: Wir singen „Die Schöpfung“?

Michael Gartner: Ich würde sagen: eine gespannte aufgeregte Vorfreude. (lacht). Es ist natürlich kein ganz einfaches Werk, es sind viele Chorpassagen dabei, und was es schwierig macht, ist, nicht in einer klassischen Choraufstellung zu stehen: Wir stehen auf der Bühnenkante. Wir wollen das Orchester auch nicht im Graben verstecken, sondern postieren es vor der Bühne.

Das Ballett steht also zwischen Chor und Orchester?

Michael Gartner: Nein, entweder Chor oder Ballett sind auf der Bühne.

Herr Linke, können wir uns auf einen klassischen Ballett-Stil freuen oder auch auf Modern Dance?

Roman Linke: Alles, was die Ballettschule macht, ist mehr klassisches Ballett. Es gibt aber auch eine kleine Überraschung – dazu sagt der Michael etwas.

Michael Gartner: Adam und Eva stehen für uns. Und deshalb haben wir uns für das Tanzpaar Maxi Neumayer/ Nina Knan vom Tanzstudio „mkmArtable“ entschieden, die das sehr zeitnah tanzen.

Sind die Ballettszenen Handlungs- oder eher Ausschmückungsszenen?

Roman Linke: Eher ausschmückend. Wir versuchen das Gras und die Bäume darzustellen, wir erzählen aber nicht genau den Text.

Michael Gartner: Für das Licht übrigens haben wir Wieland Müller-Haslinger, ehemals am Gärtnerplatztheater.

Das alles ist ja ein ganz schöner finanzieller Aufwand!

Michael Gartner: Der ist in der Tat gigantisch. Es gibt aber viele Unterstützer, die auf den Plakaten auch dokumentiert sind – ohne die wird’s nicht gehen. Da sind wir sehr dankbar. Manchmal wird mir a bisserl bang – aber wir sind wagemutig! (lacht).

Dass so viele Menschen hier in Rosenheim in einem Projekt kulturell zusammenarbeiten: das ist ja schon die halbe Idee!

Interview: RAINER W. JANKA