Bad Aibling – Die Illustration zu Uwe Timms Kinderbuch „Rennschwein Rudi Rüssel“ hat ihn in den späten 80er-Jahren weltweit berühmt gemacht, denn das Buch wurde in 14 Sprachen übersetzt. Zuvor arbeitete Gunnar Matysiak in New York für seine Diplomarbeit auf dem Gebiet der Erziehungswissenschaften an einer Feldstudie über das amerikanische Kinderfernsehen. 1978 kehrte er mit seiner amerikanischen Ehefrau nach Deutschland zurück.
Die Gemeinde Holzolling im Landkreis Miesbach wurde für ihn und seine Familie zur Heimat, denn die Landschaft mit ihrer üppigen Vegetation reizte ihn zu immer neuen Naturstudien. Zwar arbeitete er noch viele Jahre als selbstständiger Werbegrafiker, Illustrator und Filmemacher, aber sein Augenmerk verschob sich immer weiter auf die freie künstlerische Arbeit.
Schon als junger Mann war er in Büchern dem deutschen Expressionismus begegnet. Diese Begegnung öffnete ihm eine Tür in eine fremde Welt. Er begann, die Bilder der „Brücke“-Künstler nachzuempfinden. Einige Beispiele sind in der Ausstellung zu sehen. Dann aber werden die Landschaft und die Bewohner des Oberlandes in den frühen 90er-Jahren wichtiges Thema seiner Arbeiten. Menschen seiner Umgebung zeichnet er mit feinem Bleistiftstrich, den Waldarbeiter Schorsch zum Beispiel, der, zufrieden ob getaner Arbeit, die Kettensäge geschultert, mehrmals in Bildern festgehalten ist. Das Fehlen jeglicher Farbe lenkt den Blick auf das Wesentliche, auf die konzentrierten Augen des Mannes und auf die kräftige Statur. Immer wieder – zwischen Mitte der 70er-Jahre und 2016 hat Matysiak sich dem Surrealismus zugewandt. Als Offsetlithografie oder in Mischtechnik/Digitaldruck bestimmen weibliche Figuren das Blatt, die mit artfremden Gewächsen oder Gegenständen behaftet sind. So ist auf der Einladungskarte zwischen Expressionismus und Realismus der Surrealismus platziert: Ein Frauenkopf, aus dem eine Vielzahl kahler Äste herauswächst. Das Oberteil eines prächtigen Gewandes vervollständigt den jenseits der Wirklichkeit liegenden Eindruck.
Mit 50 Bildern aus unterschiedlichen Schaffensperioden gestaltet Gunnar Matysiak seine Ausstellung, davon sind 16 Arbeiten Zeichnungen von Bäumen, mit Bleistift oder Buntstift zu Papier gebracht. Natürlich darf in dieser Schau die „Burglinde“ nicht fehlen, die 2017 in neunmonatiger Arbeit entstand – ein Sommerbaum voller Blätter, dessen Äste bis fast auf den Boden reichen. Jedes der Blätter ist einzeln mit äußerster Sorgfalt gezeichnet.
Und da jedes Blatt in einem anderen Winkel zur Sonne steht, besitzt jedes seine eigene Farbtönung. Das ganze Blätterdach ist ein changierender Wipfel von Grüntönen. Aber die zahlreichen blattlosen Winterbäume sind nicht mit weniger Akribie gezeichnet. Raue Stämme, manchmal bemoost, abgesplitterte Äste, Reste von Herbstlaub oder gar Schnee, die winterlichen Baumriesen lassen den Betrachter frösteln, aber auch immer wieder staunen.
Gerne zitiert Matysiak ein Gedicht von Sigrid Krebs:
Bäume sind im Winter am schönsten, wenn sie – unversteckt hinter tausend grünen Blättern, kahl ihre bizarren Zweige an der Sonne wärmen. Wenn Raureif auf den Ästen glitzert und je älter sie werden, um so mehr Äste und Zweige treiben sie, umso größer ist ihre Schönheit.Ute Bößwetter