Landkreis – Der in München in eine Familie mit insgesamt vier Brüdern hineingeborene Kiem Pauli (1882-1960) war auf den Namen „Emanuel“ getauft. Auch die Namen seiner Brüder Ernst, Erich und Edmund, der spätere Zithervirtuose, begannen mit einem „E“. Der Vater Georg Kiem (1839-1910) war Milchhändler und Wirtshaussänger in München, die Mutter Katharina (1847-1888) stammte aus der Oberpfalz. Nach dem Tod der Mutter mussten die Buben für ihren Unterhalt selbst aufkommen. Als Straßen- und Wirtshaussänger und „Hofsänger“ in Münchner Wohnvierteln begannen sie. Es folgten musikalische Reisen zu Fuß nach Tirol (1898) und für den jungen „Paul“ erste Engagements bei Bauerntheatern auf Tournee durch Deutschland. 1903 wird Kiem Pauli als Musiker, Kassier und für kleine Rollen fest an der neuen „Tegernseer Bauernbühne“ von Michael Dengg verpflichtet, die eine große Deutschlandtour macht. Ab 1909 musizieren Edi (Zither) und Pauli Kiem (Gitarre) regelmäßig bei Ludwig Thoma auf der Tuften. Es folgt der Erste Weltkrieg (1914-1918), in dem er sich ein lebenslanges Magen- und Darmleiden holt – und schon 1919 spielt der Kiem Pauli zusammen mit dem Holl Karl (Zither) und dem Reiter Hansl (Streichzither/Schoßgeige) als „Tegernseer Trio“ in Wirtshäusern und bei „höheren Herrschaften“ im Tegernseer Tal. Die beiden Wittelsbacher, Herzog Ludwig und Prinz Albrecht von Bayern, nehmen den Kiem Pauli ab 1921 in Bad Kreuth auf und geben ihm Gelegenheit, ohne finanzielle Sorgen zu leben, zu musizieren und zum Volksliedersammeln zu gehen.
Schon 1920/1921 hat Kiem Pauli erste Liedaufzeichnungen bei den Bekannten im Tegernseer Tal gemacht. Er sucht in der Regel nach Mundartliedern, die bisher in keinem der üblichen kleinen Liederbücher zu finden waren, die es ab circa 1900 in vielen Ausgaben zu kaufen gab. All diese Lieder kennt er gut, hat er sie doch in seiner Zeit als Straßensänger, Wirtshausmusikant oder mit dem Tegernseer Trio gesungen und begleitet:
„Aber Schliersee, des is halt a Platzerl, aber Schliersee, des is halt a Platz. In Schliersee, da hob i mei Schatzerl, in Schliersee, da hob i mein Schatz.“
Und weitere Lieder, die Kiem Pauli zwar registriert, aber nicht in seine Sammlung übernimmt, sind das „Loisachtal“ oder der „Steirerbua“. Zu den Liedern „Schau, schau, wias renga tuat“ oder „Jetz hob i mei Häuserl in Wald aussebaut“ gibt es unendlich viele Strophen bei den geselligen Singgelegenheiten in Wirtshäusern, auf der Hausbank beim Hoagartn oder in der Stubn, wenn „de Richtign“ beisammen sind. Auch die gesungenen Geschichten vom „Waldbua“ oder vom „Jennerwein“ und anderen Gesängen von zu Tode gekommenen Wildschützen interessieren ihn. Im Jahr 1924 – also vor 100 Jahren notiert der Kiem Pauli das Vierzeilerlied „Übers Loaterl, da steig i net auffe“. 1924 ist er auch erstmals mit dem „Tegernseer Trio Reiter-Holl-Kiem“ im Rundfunk zu hören, am 8. August und am 15. Oktober in Live-Sendungen der „Deutschen Stunde in Bayern“ aus München. Ab 1924/1925 geht es umfangreich weiter mit dem Liedersammeln: In Schliersee zum Beispiel trifft er zusammen mit Prof. Kurt Huber den Sepp Schönhuber und den Sepp Poschner, die ein umfangreiches Repertoire vorsingen, so auch das „Fuhrmannslied“, das der vor Kurzem verstorbene Kriechbaumer-Wirt von Mietraching bei Aibling so gern hatte:
1. In da Fruah, wann da Hoh macht an Krahra, da steck i mei Köpferl auf d’Höh. I bin halt a Fuhrmo, a schwara, nimm d’Peitschn in d’Hand und schrei „he“!
2. I hab halt zwoa kohlschwarze Rapperln, sand eigspannt in an vierzöllign Wagn, i hab halt mei Freud, wanns schö trapperln, des kann i koan Menschn nit sagn.
3. I hab halt a bildsaubers Madl, is gschnitzt aus an eigana Holz, sie wascht von mein Wagn die vier Radl, drum bin i auf sie gar so stolz.
All diese Lieder der 1920er-Jahre aus dem Oberland und dem Inntal werden am morgigen Sonntag um 14 Uhr im Wasmeier-Bauernhaus-Museum in Schliersee gesungen.