Schaurig-schöne Dorfgeschichten

von Redaktion

Erwin Rehling und Pit Holzapfel spielten „Neues von Früher“ im Gimplkeller

Wasserburg – Erwin Rehling und Pit Holzapfel begeisterten mit ihrem aktuellen Programm „Neues von Früher“ im Wasserburger Gimplkeller. Es erzählt Geschichten von der Kindheit und Jugend auf dem Dorf, umrahmt von dazu passender Musik.

Ob die Zeiten früher wirklich besser waren, ist eher fraglich. Sehr unterhaltsam aber müssen sie auf jeden Fall gewesen sein, folgt man den mit viel Witz vorgetragenen Erinnerungen von Erwin Rehling an das Aufwachsen auf dem Dorf. Erwin Rehling ist Erzähler aus Leidenschaft und Perkussionist. Am 14. November wird er vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst und der Bayernwerk AG mit dem Kulturpreis Bayern 2024 ausgezeichnet. „Den Klang- und Sprachkünstler Erwin Rehling zu ehren, ist es an der Zeit! Denn seine Geschichten, die der 1954 in Soyen am See geborene Künstler aus den Stoffen der Dörfer seiner Kindheitslandschaft, der 60er- und 70er-Jahre der BRD-Geschichte, schnitzt, hämmert, dengelt, singt und sägt, erzählen auf erstaunliche Weise immer wieder auch unsere Geschichten…“, so die Begründung der Jury.

Musikalisch begleitet wurde Erwin Rehling von Pit Holzapfel. Beide zusammen haben „Neues von Früher“ auch als Klangbuch herausgebracht. Pit Holzapfel ist klassischer Posaunist mit staatlichem Diplom. Bekannt geworden ist er zudem als Jazz-Musiker und Komponist diverser Filmmusiken fürs Fernsehprogramm von ARD und ORF. Im Gimplkeller erwies sich Holzapfel als Multiinstrumentalist. Neben der Posaune spielte er E-Gitarre, Melodica und brachte Spiralfedern zum Klingen. Sofort fühlte man sich dabei an die Titelmelodie der amerikanischen Mysteryserie „Twin Peaks“ erinnert. Ebenso ungewöhnlich waren die von Erwin Reling gespielten Rhythmusinstrumente. So kamen neben dem Schlagzeug auch ein Naturstein-Lithophon und eine Bala, ein afrikanisches Xylophon mit Kalebassen als Resonanzverstärker, zum Einsatz. Damit spannte sich der musikalische Bogen über Rock, Jazz und Weltmusik bis hin zu Avantgarde-Klangkompositionen zwischen Atonalität und Fluxusbewegung.

So entstand ein vertontes Panoptikum schaurig-schöner Dorfgeschichten. Erwin Rehlings Erlebnisse einer Jugend auf dem Land waren meist feinsinnig und heiter, manchmal sehr ernst und gelegentlich ein wenig derb, so wie das Leben halt spielt. Sie haben sich zugetragen in den 1960er- und 1970er-Jahren im Wasserburger Altlandkreis, zwischen Rieden und der Gemeinde Soyen. Dort ist der Künstler aufgewachsen. Und wer die Region kennt, wird sofort an damalige Zeit erinnert. Denn die Personen in den Anekdoten waren oder sind allesamt authentisch.

Erwin Rehling erwies sich als humorvoller und feinsinniger Beobachter, ein Chronist zwischenmenschlicher Begebenheiten im Dorfleben. Die scheinbare Idylle barg Momente voller Komik wie auch Tragik mit vielen ernsten Ereignissen. Er erzählte von den furchtbaren Erlebnissen der Kriegsheimkehrer, deren Unterhaltungen am vom Rauch der billigen Stumpen nebelverhangenen Stammtisch beim Dorfwirt immer mehr zu Selbstgesprächen wurden. Er berichtete vom „Troadumschaufeln“ auf der Tenne. Schon als Bub und von noch geringer Körpergröße war er mit dabei. Dort verunreinigte so manche Hinterlassenschaft der Katzen das Korn. Denn wo Getreide ist, da sind auch die Mäuse nicht weit und die Katzen liegen auf der Lauer. Und Katzendreck solle ja das Wachstum enorm beschleunigen, wurde ihm erzählt. Wolfgang Janeczka

Artikel 10 von 11