Mit vielen Talenten gesegnet

von Redaktion

Bilder, Objekte und Skulpturen von Gustav Starzmann im Wirtshaus D´Feldwies

Übersee – Gut ein Jahr nach dem Tod des engagierten, langjährigen SPD-Landtagsabgeordneten und Künstlers Gustav Starzmann hat seine Familie eine groß angelegte Gedächtnisausstellung im Wirtshaus D´Feldwies in Übersee am Chiemsee eröffnet. Der im September 1944 in Bad Reichenhall geborene Gustav Starzmann war als Vermessungs- und Flurbereinigungsingenieur bis 1982 unter anderem am Bayerischen Landesvermessungsamt und am Vermessungsamt Traunstein tätig, danach als Lehrbeauftragter für Geodätisches Rechnen an der Hochschule der Bundeswehr in München.

Lebenseinstellung
widergespiegelt

Zeit seines Lebens engagierte er sich für Umweltschutz und setzte sich für Kunst, Künstler und Literaten ein. Über alle Parteigrenzen hinweg anerkannt, kämpfte Starzmann mit Leidenschaft, aber stets rational und nie aggressiv für seine Ideale und Überzeugungen, um die Welt ein wenig gerechter und besser zu machen.

All das kommt auch in seiner Kunst überzeugend zum Ausdruck. Bei der Präsentation im ersten Stock des Wirtshauses, verteilt auf mehrere Räume, werden exemplarisch über 80 Exponate des Künstlers aus allen seinen Schaffensperioden gezeigt. Darunter großflächige Acrylbilder zum Beispiel aus seiner Gelb-Rot-Blau-Phase, große und kleine Collagen aus Fundstücken vom Chiemseestrand, aus dem Wald und überall in der freien Natur, aber auch Skulpturen aus Metall, Stein und Holz.

Vielleicht auch durch das Erbe seines Großvaters, der Bildhauer war, hatte sich Gustav Starzmann stets für bildende Kunst interessiert, was er während seines ausgefüllten Berufs- und Politikerlebens nur wenig ausleben konnte. Nach seiner aktiven Zeit aber besuchte er die Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg bei den international anerkannten Zhou Brothers und den Konzeptkünstlern Kabakov, außerdem einen Kurs zur Gießtechnik bei Fritz Kirchner, studierte Stahlbildhauerei bei Ute Lechner und Hans Thurner und absolvierte Malkurse bei CHC Geiselhart in Nehren, um nur einiges zu nennen.

Bei der von alten Weggefährten und Freunden sehr gut besuchten Vernissage im Wirtshaus D´Feldwies begrüßte sein Sohn, Paul Starzmann, im Namen der Familie die Gäste und wies besonders auf die enge Verbindung seines Vaters zu Übersee am Chiemsee hin, wo er seit Jahrzehnten ein Sommerhaus mit vielen alten Obstbäumen hatte. Er fühlte sich immer sehr verbunden mit den gewachsenen ländlichen Strukturen des Ortes, sodass er seine Skulptur „Bauernsterben“, die inzwischen vor dem Zuhäusl des Gasthofs von der Gemeinde aufgestellt wurde (wir berichteten) der Gemeinde schenkte.

Ortsheimatpflegerin Annemarie Kneissl-Metz wies bei ihrer Ansprache darauf hin, dass Gustav Starzmann aus seiner Familiengeschichte den bäuerlichen, ländlichen Hintergrund mit den starken wirtschaftlichen und körperlichen Herausforderungen seiner Vorfahren gut kannte. Schon als junger Politiker machte er früh auf die Schäden der Ausbeutung der Umwelt aufmerksam und regte zum Nachdenken über das kulturelle Erbe an und darüber, was es bedeutet, wenn der Altbestand und eine ganze identitätsstiftende Kultur verschwinden.

Bürgermeister Herbert Strauch freute sich über die Ausstellung und darüber, dass der Verkaufserlös aller Objekte der Gemeinde für ein Umweltprojekt zugutekommt – ganz im Sinne seines Schöpfers. Die musikalische Gestaltung der Vernissage auf der Ziach übernahm ein alter Weggefährte aus Übersee, Fritz Derwart, der die Besucher zudem mit Anekdoten über Gustav Starzmann unterhielt. Er erinnerte zum Beispiel, wie beide als Initiatoren einer Bürgerinitiative Oberjettenberg vor dem Bau eines Truppenübungsplatzes bewahren konnten.

Bereits als junger Mann war Starzmann politisch interessiert und engagiert. 1966 trat er in die SPD ein. Als Student in München organisierte er mit anderen die Proteste gegen Bildungsnotstand und Notstandsgesetze. 1972 wurde er als Jungsozialist in den Reichenhaller Stadtrat gewählt, wobei schon damals der Schutz der Umwelt ein großes Thema für ihn war. Später setzte er sich zum Beispiel bei der Bürgerinitiative „Rettet die Kindlmühlfilze“, für den Chiemseeringkanal, aber auch bei der Initiative zur Rettung des Inseldoms auf der Herreninsel ein. Kreistagsabgeordneter war Starzmann von 1978 bis 1990, als MdL stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für Landwirtschaft und Forsten in den Jahren 1982 bis 2003. Mitte der 1990er-Jahre berief ihn Renate Schmidt als Agrarminister in ihr Schattenkabinett.

Nach der Politik zur
Kunst und Literatur

Im Jahr 2000 erhielt er den Bayerischen Verdienstorden am Bande, in 2000 die Verfassungsmedaille in Silber. Seine erste eigene Ausstellung hatte Starzmann in 2003 in der Alten Wache in Traunstein mit dem Titel Chaos und Ordnung. Seine Kunst sollte immer zum Denken anregen, war orientiert an gesellschaftlichen Fragen und Politik.

Ein Beispiel ist seine Beteiligung an einer Aktion gegen das Lueger-Denkmal in Wien. Titel seines Werkes gegen die Verherrlichung des erklärten Judenhassers, des Wiener Bürgermeisters Karl Lueger, hieß „Mahnmal gegen antisemitische und rassistische Agitation“. Erfolgreich stellte er unter anderem in München, Salzburg, Burghausen und Unterfranken bis zur Eremitage in Bayreuth aus, dazu beim Kunstverein Salzburg, Prien, Rosenheim und Berchtesgadener Land.

Interesse
an Sprache

Neben der Bildenden Kunst galt Gustav Starzmanns Interesse immer der Sprache, Sprachformen und Dialekten, besonders den kritischen bayerischen Schriftstellern wie Lena Christ, Oskar Maria Graf, Emerenz Meier oder Georg Queri. Starzmanns Lesungen zu OM Graf, zum Beispiel in der Feldwies oder in der Traunsteiner Kulturfabrik NUTS sind sicherlich allen, die sie miterleben durften, unvergesslich. Mit subtilem Humor und überzeugender Intonation entsprachen sie kongenial dem bayerischen Idiom Grafs. Starzmann hatte den großen bayerischen Schriftsteller in den 1960er-Jahren als Redakteur des Reichenhaller Tagblatts kennengelernt. Daraus entstanden eine Freundschaft und reger Briefwechsel. In der Ausstellung sind kleine Bilder und Reminiszenzen an seine engen Beziehungen zu den berühmten bayerischen Autoren zu finden.

Öffnungszeiten

Artikel 4 von 11