Traunstein – Wackelkontakte sind in der Regel nervig. Man betätigt den Schalter für die Lampe, die Bohrmaschine oder einen anderen elektrischen Helfer und das Gerät springt an – oder eben nicht. Dann gilt es, auf Fehlersuche zu gehen. Faszinierende Einblicke, was ein „Wackelkontakt“ in der bildenden Kunst alles auslösen kann, zeigte ein mehrtägiges Festival in der Unteren Stadt in Traunstein. Bereits beim Auftakt des neuen Formats im vergangenen Jahr hatte Initiator Helmut Mühlbacher zusammen mit befreundeten Künstlern und Kulturschaffenden für jede Menge Gesprächsstoff gesorgt und viele Besucher angezogen.
Dass gerade Pausen in unserem hektischen Alltagstreiben wichtig sind, um innezuhalten, nachzudenken und zu neuen Einsichten zu kommen, machte zum Auftakt des Festivals der Video- und Installationskünstler Roman Wörndl in der Kunstsprechstunde deutlich. Der in Berg am Starnberger See und in München arbeitende Künstler kombiniert in seinen Werken Skulptur, Installation, Objekte in Bewegung sowie Texte, Video- und Audioarbeiten. Immer wieder stellt er den Menschen in all seiner Widersprüchlichkeit, seiner Hybris und Gewalttätigkeit oder in seiner Beziehung zur Natur in den Mittelpunkt. Seine fokussierten und von feinem Humor unterlegten Kunstbetrachtungen lesen sich wie feinsinnige Kommentare auf die Zerbrechlichkeit menschlicher Hoffnungen und der menschlichen Existenz überhaupt.
In seinen Videoarbeiten zeigt er Soldatenstiefel, die über ein pulsierendes Herz marschieren, bis nichts mehr zu sehen ist – außer vielleicht ein Sternenhimmel. Ein Bildschirm, der in einem zerschlissenen Reisekoffer eingepasst ist, lässt im sanften Spiel der Wellen Texte voller Eindringlichkeit passieren, die das Thema Mitmenschlichkeit mit der harten Realität des Massensterbens von Flüchtlingen im Mittelmeer konfrontiert.
Unter die Haut geht das Werk „Nächtliche Schatten“, das während der Corona-Zeit 2020 entstanden ist. Lautsprecher mit einem Stakkato an Schlagworten umkreisen dabei wie Trabanten die Sonne eine Kugel, auf die das grimassierende Gesicht von Wörndl projiziert ist.
Das Werk leitete als Ausstellungsbeitrag in leerstehenden Räumen am Salinenpark zum Kunstfestival des „Wackelkontakts“ über. Im Nebenraum ließen Helmut Mühlbacher und Clemens Meyer zwei Bandschleifer auf eine drehbare Holzplatte los, um ein Experiment über „Flächenfraß“ anzustellen. Unterlegt von sanften Klängen zeigten daneben Elke Weisbarth und Monika Georgii mit Fotografien der Ci-Tanzgruppe Traunstein poetische Momente von Bewegung und körperlicher Begegnung.
Dass das Wackeln immer wieder für neue Ordnungen und kreative Momente sorgt, machten Claudia Weber und Cosima Strähhuber mit ihrer sanft in den Raum wuchernden Mitmach-Kunstaktion im „Hand-Arbeit-Werk-Raum“ deutlich. Besonders die Kinder hatten viel Spaß, wilde Stadtansichten von Traunstein zu entwerfen oder den „Kunst-Moloch“ zu füttern.
Ausdrucksstark präsentierten sich Katherina Droth, Sophie Schmid und Rico Moaine bei ihrer Tanz-Performance „Brzzt“ im Offenen Raum Traunstein. Dort hatten sich davor Experten in einer gutbesuchten Podiumsdiskussion darüber ausgetauscht, was gute Kunst ausmacht und welchen Nutzen man aus Kunst ziehen kann. Unter der Leitung der Künstler Robert Heigl und Clemens Büntig kamen die Kulturreferentinnen Dr. Birgit Löffler und Anke Hellmann, der Bildhauer Hans Brunner und Kunstpädagogin Susanne Frigge angeregt ins Gespräch.
Das benachbarte Werkstatt-Atelier von Clemens Büntig wiederum bildete die perfekte Bühne für die Präsentation von Werken einer künstlerisch-kreativen Brieffreundschaft von Büntig mit seinem Schweizer Kollegen Andreas Bomatter. Der Grafiker Uwe Bressnik zeigte ergänzend „Fingerprints“.
Mit großem Amüsement folgten die Zuhörer auch den fantasievollen Textcollagen zum Thema „Wackelkontakt“, die die Traunsteiner Literatin Anja Sturmat mit ihren Kollegen aus Österreich organisiert hatte. Viel zu erleben gab es nicht zuletzt auch in der etwas „wackeligen“ Salonbaustelle an der Schützenstraße 21. axel effner