Aschau – Seit 33 Jahren besteht die Galerie „Kunst und Kultur zu Hohenaschau“ an der Festhalle und schon häufig wurden hier Werke von namhaften Künstlern mit starkem Bezug zur Natur gezeigt, geradezu ein Muss bei der überwältigend schönen Kulisse ringsherum. Heuer stellt ein zweites Mal der in München und Italien lebende Helmut Dirnaichner, Jahrgang 1942, aus – ein erstes Mal vor zehn Jahren. Unter dem Titel „Zinnoberrot und Silberweiß“ gibt die vielseitige Werkschau des Künstlers einen Überblick über Jahrzehnte seines Schaffens. Er malt keine realen Landschaften, keine Bilder von der Natur, sondern mit der Natur. „Er malt mit Stoffen, die er in der Landschaft findet, arbeitet mit Farben, die er meist direkt der Erde entnimmt“, wie es der bekannte Autor und Kunstkritiker, Dr. Gottfried Knapp, bei der sehr gut besuchten Vernissage feststellte.
Dirnaichner schöpft
Schätze der Natur
Denn Dirnaichner ist kein Maler oder Bildhauer im landläufigen Sinn, sondern er schöpft und kombiniert die in Erde und Fels vorhandenen, aber meist verborgen liegenden Schätze der Natur. Zum Beispiel bindet er das aus verschiedenen Gesteinen gewonnene Pigment von Lapislazuli, Aquamarin, Turmalin Jaspis, Zinnober und vielem anderen auf dem Trägermaterial pflanzlicher Zellulose. Die Steine, die er dafür sucht, müssen in einem langwierigen Prozess des Zerkleinerns und Zermahlens zu feinen Pigmenten zerrieben werden. Dann wird die zu klaren Formen wie Kreisen, Quadraten oder blattartigen Zeichen gestaltete Zellulose an der Luft, verbunden mit dem Pigmentstaub, getrocknet.
Findlinge, Erden, Mineralien und andere Stoffe aus der Natur sind in den Arbeiten von Helmut Dirnaichner nicht Mittel zum Zweck, sondern enthalten bereits die Essenz seiner künstlerischen Aussage. Titel und Materialangaben bilden bei Dirnaichner semantische Spannungsfelder, die parallel zum Bildlichen stimulierend auf die Wahrnehmung der Arbeiten einwirken. Die Suche nach der Identität von Form und Farbe wird von intensiver Reflexion über die Beschaffenheit der natürlichen Realität begleitet mit fundiertem Wissen über geologische und erdgeschichtliche Zusammenhänge.
Als Beispiel sei das Titelbild der Ausstellung genannt „Zinnoberrot und Silberweiß“ könnte aus einem Grimmschen Märchen stammen. Hier benennen die Wörter jedoch lediglich die Materialien in diesem Bild, dennoch mit geheimnisvoller Wirkung. In der Geschichte der bildenden Künste wurde das begehrte Zinnober immer mit Bindemitteln streichfähig gemacht, Silber von Bildhauern und Goldschmieden eingeschmolzen und geschmiedet. Im Werk Dirnaichers werden die beiden der Erde entnommenen Stoffe nicht umgeformt, sondern sprechen direkt in ihrer naturgegebenen Schönheit den Betrachter an.
„Ahnungen von den
gewaltigen Kräften“
Um noch einmal Gottfried Knapp zu zitieren, „Die Bilder erzählen Geschichten, die über unsere Gegenwart und über den Ort, an dem wir uns gerade befinden, weit hinausreichen. Sie vermitteln uns Ahnungen von den gewaltigen Kräften, die in der Natur einmal wirksam waren, derzeit aber harmonisch gebunden sind.“
Gerade deshalb, angesichts der gewaltigen klimatischen Veränderungen, können uns Dirnaichers Werke besonders ansprechen und faszinieren. Es ergibt sich ein weites Feld an Assoziationen, in dem sich der Betrachter selbst begegnen kann.