Rosenheim – Das 2018 gegründete Swiss Orchestra mit seiner Dirigentin Lena-Lisa Wüstendörfer startete die heurige Meisterkonzert-Saison im Kultur- und Kongress-Zentrum mit einer Mischung aus Speckseitenmusik und Schweizer Symphonik. Als weithin bekannte Werke standen Beethovens 3. Klavierkonzert in c-Moll und Mozarts Jupiter-Symphonie auf dem Programm.
Stürmischer
Beginn
Mit stürmischem Überschwang begann das Swiss Orchestra diese strahlende C-Dur-Symphonie, mit klarer und gleichzeitig anmutig die musikalischen Phrasen malender Gestik animierte die junge Dirigentin die Musiker zu immer belebtem, ja moussierendem, Spiel mit sportivem Eifer bis in die letzte Geigen-Reihe. Im klangfarbenreichen Andante kam insbesondere die unruhige c-Moll-Episode zu intensiver Entfaltung, das so überaus kunstreich komponierte, so galant wie gelehrte Finale war rhythmisch scharf markiert und im Klang feurig-explosiv und dennoch kontrapunktisch transparent, sodass die „Gelehrtheit“, nämlich die Synthese von Homophonie und Polyphonie, von Sonatensatz und Fuge und von Barock und Klassik, ins Spielerisch-Elegante gewandet erschien.
Mit seiner Erscheinung (schulterlange lockige Haare und buntgeblümte Weste), mehr noch aber mit seinem Spiel, gewann der rumänisch-kanadisch-schweizerische Pianist Theo Gherghiu sofort die Sympathien des Publikums. Federnd-gespannt und mit lustvollem Ausspielen der Synkopen begann das Orchester Beethovens drittes Klavierkonzert, in das der Solist sich eher kollegial einbettete als es solistisch anzuführen. Gheorgiu wollte weder die romantische Verklärung noch den schwermütigen und schwerblütigen Ernst dieses Konzertes ausspielen, er wollte einfach nur spielen. Dies allerdings sehr geläufig, flinkfingrig, frei und freundlich.
Schön, aber nicht zauberhaft, singt er den langsamen Satz im lichten E-Dur, mit dem Orchester glücken die klanglichen und melodischen Verzahnungen, sein deutlicher bis kantiger Anschlag ist dann passend für den kauzigen Humor des Finales, in dem sich auch die Pauke hervortut. Als gern gewährte Zugabe spielte Gheorgiu das Adagio aus Beethovens „Pathétique“: etwas rasch und unpathetisch.
Interessanter als diese „Speckseitenmusik“ waren die Stücke, die die Schweizer Musiker aus der Schweiz mitgebracht hatten. Die „Ouvertüre zu Dyhrns ‚Konradin‘“ von Theodor Fröhlich (1803 bis 1836), dessen Leben tragisch mit Selbstmord wegen seiner Schuldenlast endete, hatte den Abend eröffnet. Konrad Adolf Graf von Dyhrn hatte 1827 seine Tragödie „Konradins Tod“ publiziert. Sie erzählt den Feldzug des jungen Konradin, des letzten Staufers, nach Italien, um dort das Königreich Sizilien als sein Erbe in Besitz zu nehmen. Er verlor jedoch die entscheidende Schlacht und wurde hingerichtet. So tragisch ist auch die Ouvertüre: Nach unten führende Unisono-Melodien der Streicher, Orchestertriller und klagende Oboen künden von schwerem Schicksal, aufwärts rollende Skalen der Celli und Bässe und wildentschlossene Orchestertutti künden von Schwertergeklirr und Kriegskampf.
Die Dirigentin hatte in der Anmoderation das Schicksal des jungen Konradin und des schuldenbelasteten Theodor Fröhlich verknüpft, für das zweite Stück der Schweizer Symphonik erzählte sie gleich den ganzen Inhalt und beschrieb, indem sie ihre Musiker vorspielen ließ, die Klänge. „Tree Talk“, zu Deutsch: Unterhaltung der Bäume, ist für zwei Solo-Celli und Streichorchester von Helena Winkelmann (geboren 1974) komponiert und führt durch alle vier Jahreszeiten, vom Licht durch die Blätter im Frühling über Vögelgezwitscher im Sommer und Abfallen des Samens im Herbst bis zum Vereisen der Äste im Winter: musikalische Unterhaltung im Unterholz.
Der Wald
schreit auf
Dramatischer Höhepunkt ist, wenn ein Mann mit der Axt auf den Baum zumarschiert und der Wald schmerzhaft aufschreit: Es ist eine vielschichtige, glitzrige, sich reibende, fiebrige, fahl irisierende Musik, die durchaus ihren Reiz hat. Die beiden Solo-Celli spielen hin und wieder solistisch und verschwinden dann wieder im orchestralen Unterholz: der Reiz von neuer, völlig unbekannter Musik.