Rosenheim – Dass Rohrdorfs Bürgermeister Simon Hausstetter ein großer Bewunderer Friedrich Hölderlins ist, hat er bereits in einem profunden Vortrag bei der Goethe-Gesellschaft Rosenheim bewiesen. In seinem jüngsten Vortrag „Zwischen Kantischer Philosophie und Bleicarbonat – Franz Paul von Herbert (1759 bis 1811) und seine Verbindung zur Jenaer Frühromantik“ im Künstlerhof am Ludwigsplatz hat sich Hausstetter diesmal mit einem heute kaum noch bekannten Zeitgenossen Hölderlins beschäftigt.
Der 1759 in Klagenfurt geborene Franz Paul von Herbert war Bergbaupionier, Schöngeist und Mäzen. Nach Studien in Klagenfurt und Wien trat er den Freimaurern bei und wurde mit der Philosophie Immanuel Kants bekannt. 1781 übernahm Herbert die Bleiweißfabrik von seinem Vater.
Herbert habe laut Hausstetter versucht, aus der provinziellen Enge auszubrechen. 1789 reiste er nach Weimar zu Christoph Martin Wieland, der ihn an seinen Schwiegersohn Carl Leonhard Reinhold verwies. Reinhold, bei dem Herbert Philosophie studierte, lehrte in Jena und machte das Werk Kants durch seine Briefe über die Kantische Philosophie einem breiteren Publikum zugänglich.
Bei einem zweiten Besuch in Jena lernte Herbert bei Reinhold Friedrich Schiller, Novalis, Johann Benjamin Erhard und Friedrich Immanuel Niethammer kennen, alles Anhänger der kantischen Philosophie. Schiller bezeichnet ihn in einem Brief als einen „guten gesunden Kopf mit ebenso gesundem moralischem Charakter“. Niethammer blieb mit Herbert bis zu dessen Tod befreundet.
Erwähnung fand auch der Schriftsteller und Kantianer Joseph Steinbichler, dessen Eltern Pächter von Schloss Farnach bei Rosenheim waren. Steinbichler, der früh starb, veröffentlichte in Salzburg aufklärerische Werke.
Mit Erhard und zwei weiteren Freunden unternahm Herbert 1794 eine Reise durch Oberitalien. Den Pädagogen Johann Pestalozzi lernte er 1797 in der Schweiz näher kennen und blieb ihm verbunden. Novalis, der ihn in Reinholds Seminar kennengelernt hatte, plante sogar noch kurz vor seinem Tod, nach Klagenfurt zu Herbert zu gehen. Dass Herbert in Jena Vorlesungen über die Philosophie Kants hörte und dass er Freimaurer war, erregte das Misstrauen des Polizeistaates unter Franz II. Man ließ ihn bis zu seinem Tod bespitzeln. Ergreifend war ein Brief von Herberts schwermütiger Schwester Maria, die sich von Kant Ratschläge in Liebesdingen erhoffte, aber keine Antwort bekam. 1803 beging sie aus Verzweiflung Selbstmord. Ihr Bruder Herbert litt schon jahrelang an der Gicht, die vermutlich durch die Arbeit mit Bleiweiß verursacht wurde. 1811 erschoss er sich in Triest.
Hausstetter erzählte die Lebensgeschichte Herberts mit großer Sachkenntnis und Leidenschaft. Die Briefe, in denen sich die Freundschaften ausgedrückt haben, seien damals die einzige Möglichkeit der Kommunikation über weite Strecken hinweg gewesen. Im Gegensatz zur heutigen digitalen Welt habe der Briefeschreiber lange sehnsuchtsvoll auf eine Antwort warten müssen.
Wichtig sei es laut Hausstetter, die Texte im Original zu studieren. Wir läsen heute viel Sekundärliteratur, so der Referent ernüchtert: „Wir müssen wieder zurück zu den Quellen.“ Georg Füchtner