„Bunter, vielseitiger und grooviger“

von Redaktion

Interview mit Peter Gall zu seinem zweiten Soloalbum „Love Avatar“

Bad Aibling/Prien – Peter Gall, gebürtiger Aiblinger und Wahlberliner mit einer Professur für Jazzschlagzeug und Ensemblegestaltung an der Hochschule für Musik in Mannheim, hat nach seinem Debüt-Soloalbum „Paradox Dreambox“ mit „Love Avatar“ seine zweite CD mit ausschließlich eigenen Kompositionen veröffentlicht. Die aktuelle Tour führt ihn auch in die Region, er gibt Konzerte in Prien und Bad Aibling. Die OVB-Heimatzeitungen haben mit ihm über seine Musik und seine Band gesprochen.

„Love Avatar“ ist das zweite Solo-Album. Was ist seit „Paradox Dreambox“ vor fünf Jahren anders?

Der größte Unterschied ist, dass ich vor fünf Jahren mit meinen Kompositionen völlig blauäugig meine Lieblingsmusiker gefragt habe, ob sie mitmachen. Schon bei der Studioarbeit hatte es sich gut angefühlt, wir sind auf Tour gegangen und mittlerweile sind wir mit Wanja Slavin, Reinier Baas, Rainer Böhm und Matthias Pichler eine feste Band geworden. Was anfangs wie ein Experiment begonnen hatte, wurde durch die zahlreichen Konzerte zu einem eingespielten Format, sodass ich bei dem jetzigen Album viel mehr mit der Band im Kopf geschrieben habe.

Heißt das, es wurde ein anderer kompositorischer Weg beschritten?

Ja, in vielerlei Hinsicht: Zum einen bin ich stärker von meinem Instrument, dem Schlagzeug mit Rhythmen und Grooves ausgegangen, zum anderen weiß ich viel besser, wie meine Mitspieler mit meinem Material umgehen, gebe ihnen Freiraum in der Interpretation und kann mich darauf verlassen, dass was Tolles dabei herauskommt und so wurde das Album letztlich bunter, vielseitiger und grooviger.

Bei längeren Stücke wie bei „Closing the Chapter“ spürt man eine gewaltige Dynamik. Wie kann man das erklären?

Das hat mit der Band zu tun, die aus so extrem starken Charakteren besteht und wenn man mit ihnen probt oder im Studio ist, passiert mit den Stücken, die ich niedergeschrieben habe, oft etwas Unvorhersehbares und das ist die stärkere Seite. Der kürzlich verstorbene Quincy Jones hat mal gesagt, es nützt einem die beste Sängerin nichts, wenn der Song nicht gut ist. Insofern versuchte ich natürlich, so gute Songs wie möglich zu schreiben, aber ohne meine Mitmusiker wäre das alles nichts wert.

Wart ihr für die Aufnahmen zusammen im Studio oder wurden die Tracks hin und her geschickt?

Dass alle akustischen Instrumente gemeinsam im Studio eingespielt wurden, war wichtig für das Bauchgefühl, die Interaktion untereinander und die improvisatorischen Elemente. Wie soll man im Jazz solch geniale Unisono-Passagen mit Reiniers Gitarre und Wanjas Saxofon sonst hinkriegen? Trotzdem wurde nach dem Studiomoment noch eine Postproduktion gemacht, um die akustische Performance der Band etwa mit Flötenklängen eines Mellotrons zu umrahmen, was beim Hörer Erinnerungen wecken kann, etwa an „Strawberry Fields Forever“ von den Beatles, eine Musik, die nicht nur mich sehr stark beeinflusst hat.

Wie wichtig ist die Gitarre innerhalb dieser Jazz-Gruppierung?

Das Besondere an Reinier ist, dass er zwar ein exzellenter Jazzgitarrist ist – und mir fallen in Europa wenige vergleichbare Typen ein – aber von seinem Gitarrensound her hat er viel von Jimi Hendrix, beherrscht auch das klassisch angehauchte präzise Spiel und erzeugt dadurch einen eigenen crunchigen und rockigen Sound, der auf der CD so eigenständig und interessant wirkt.

Sind KI, Digitalisierung und Musikvermarktung durch Streaming-Dienste eine Existenzbedrohung?

Von dem, was wir machen, nämlich mit handgemachter Musik einen Spirit und ein Feeling zu erzeugen, glaube ich das nicht. Ich persönlich kaufe mir lieber einen analogen Synthesizer als einen digitalen, schreibe ein Stück lieber auf echtes Notenpapier als auf einem I-Pad und kaufe mir lieber eine Schallplatte als auf einem Streamingdienst eine Playlist zusammenzusuchen. Ein Album erzählt eine Geschichte, denn nichts bildet einen Künstler so gut ab, wie ein ganzes Album, wobei auch das Cover und die Informationen im Booklet eine Rolle spielen.

Was ist auf dem Cover von „Love Avatar“ zu sehen?

Der Designer unserer Plattenfirma hat uns 15 Vorschläge gemacht, darunter ein Gemälde der Münchner Künstlerin Eva Oppenheimer mit dem Titel „Dark Matter“ und wir waren alle sofort der Meinung: Das ist es, weil dieses Gemälde genau zu unserer Musik passt. Nur etwa sechs Prozent des Universums sind greifbare Materie, alles andere ist für uns nicht erkennbar oder wahrnehmbar, ist sozusagen dunkle Materie. Für mich ist das in der Musik eine Grundvoraussetzung, weil man eigentlich gar nicht weiß, was sie beim Hörer auslöst oder wie sie wahrgenommen wird.

In wenigen Tagen beginnt Eure Tour. Ist alles vorbereitet?

Ja, mit der Band und den Veranstaltern ist alles abgesprochen, das Equipment ist organisiert, was nicht ganz einfach ist, weil wir viele Orte mit dem Zug ansteuern und deshalb mussten auch jede Menge Zugtickets gekauft werden. Premiere ist am 28. November in Berlin, einen Tag später sind wir in der Unterfahrt in München, am 30. November im Salon21 in Prien und am 1. Dezember bei mir „zuhause“ im Librano in Bad Aibling.

Interview: Arnulf Luers

Zwei Konzerte