Prien – Mit einem Konzert, voll und ganz Komponisten des 19. Jahrhunderts gewidmet, überzeugte das Chiemgauorchester (CHO) im König-Ludwig-Saal. Unter dem souveränen Dirigat von Mathias Linke präsentierte das Orchester, das sich vornehmlich aus Laienmusikern aus der Region zusammensetzt und mit wenigen Profimusikern verstärkt wird, wohlfeilen Klang.
Die Ouvertüre in C von Fanny Hensel als Ouvertüre: Edel, wie sich nach dem Hornstoß und dem darauffolgenden Wechselspiel zwischen Streichern und Holzbläsern die Klangfülle entfaltete. Aufbrausend, glänzend, romantisch samt fulminantem Finale – das CHO entfaltete einen großartigen Klangkörper. Schade, dass man diese verkannte Künstlerin, die geniale Komponistin und Dirigentin (ihr wurde die Uraufführung dieser Ouvertüre am 31. Mai 1834 zugestanden, aber die große Karriere blieb ihr verwehrt), nicht öfter im Konzertsaal hört.
Selbst beim CHO wich ihr auch posthum weitaus bekannterer Bruder, Felix Mendelssohn Bartholdy, nicht von der Seite. Bei dessen Sinfonie Nr 3, a-Moll, op. 56, besser bekannt als „Die Schottische,“ nahm das CHO sein Publikum mit auf eine Reise zu den Gestaden Schottlands: Da meinte man, Regentropfen zu spüren und den über die Highlands brausenden Sturm am Ende des ersten Satzes zu hören. Die lustigen Dudelsackklänge im zweiten Satz erinnerten an ein Volksfest, und schließlich sah man sich vor den imposanten Gemäuern von Schloss Holyrood in Edinburgh stehen. In den Ecksätzen waren die Tempi nicht so energiegeladen, wie sie wohl sein könnten. Und doch verstand es Linke, durch kraftvollen Zugriff diesen klitzekleinen Mangel zu kompensieren. Technisch sauber und formschön Dynamik und Phrasierungen ausgestaltend, gelang es dem CHO, die Schottische wirken zu lassen.
Höhepunkt des Abends aber war zweifelsohne das Doppelkonzert in a-Moll,
op. 102, von Johannes Brahms. Die beiden Solistinnen, Shoko Murakami (Violine) und Adriana Schubert (Violoncello), legten dabei ein Farbenfeuerwerk hin, das keine Sekunde an Spannung verlor. Das musikalische Miteinander wurde hier in Reinkultur praktiziert.
Dabei ist es in der Romantik eher selten, dass es zwei Solisten gibt. Aber wer um die Intention Brahms‘ weiß – er wollte damit seine Freundschaft zum damals sehr berühmten Geiger Joseph Joachim wiederbeleben – versteht, warum sich die beiden Solostimmen in ihren „Gesprächen“ nichts schenkten, wenn die Gegenrede schon mal etwas heftiger ausfiel.
Der volle, satte Brahms-Ton, den Cellistin Adriana Schubert mit dem samtenen und silbrigen Geigenton Shoko Murakamis verschmelzen ließ, animierte das CHO zu Klangdichte und Klangfülle. Und Dirigent Linke wusste genau, wann und wie er dieser Musik noch mehr Tiefe verleihen konnte.
Als Zugabe luden Violine und Cello zum konzentrierten Zuhören ein: Ein Tango, inspiriert von Astor Piazolla, den die beiden Solistinnen virtuos mit pizzicato, Doppelgriffen und Glissando würzten und dazu noch Elemente der Klassik, der argentinischen Folklore, der Neuen Musik und Ingredienzen des Jazz beifügten. Wahrlich ein Abend voller klanglicher Dichte und Fülle. Elisabeth Kirchner