Bad Aibling – Elvis lebt, wie manche glauben – und Kafka lebte auch noch nach seinem offiziellen Tod 1924, wie Bernhard Setzwein in seinem Buch „Kafkas Reise durch die bucklige Welt“ fabuliert. Daraus las der Autor im Rahmen der 36. Bad Aiblinger Literaturtage in der Aula der Wirtschaftsschule Alpenland vor einer recht überschaubaren Leserschar.
Setzweins Grundannahme: Der 1883 geborene Franz Kafka habe seinen Tod 1924 in dem Sanatorium in Kierling bei Wien nur vorgetäuscht, sei dann untergetaucht, habe auch den Zweiten Weltkrieg überstanden und lebe im Jahre 1960 in Meran (das der wirkliche Kafka von einem Kuraufenthalt kannte), wo er als Billeteur im Apollo-Kino arbeite.
Setzwein hat als studierter Germanist sowohl seinen Kafka studiert als auch intensiv die monumentale dreibändige Kafka-Biografie von Reiner Stach ausgewertet. So konnte er mit sehr vielen biografischen Details seinen Roman würzen. Der Job als „Türhüter“ in einem Kino erinnert sowohl an Kafkas Erzählung „Vor dem Gesetz“ als auch an Kafkas belegte Liebe zum Kino. Setzwein lässt dann Kafka auf einen jungen Mann namens Marek Hłasko treffen – den es auch wirklich gibt: Er lebte von 1934 bis 1969, war ein polnischer Schriftsteller und unter anderem Ehemann der Schauspielerin Sonja Ziemann.
Hłasko nun überredet Kafka, zusammen einen Fiat Ollearo zu leihen, einen kleinen dreiachsigen Transporter, und sich damit gemeinsam auf eine Reise nach Österreich zu begeben: Der Roman entwickelt sich, wie Setzmann sagte, zu einem veritablen Roadmovie.
Setzmann bringt zahlreiche Zitate, Motive und Handlungen Kafkas in seinem Roman unter. So verquickt er zum Beispiel die Geschichte „Der Kübelreiter“, in der ein armer Mann in Eiseskälte den Kohlenhändler um Kohlen bittet, mit einem Aufenthalt an einer Tankstelle, an der Kafka den Tankwart dazu bringt, ihm gratis Benzin zu überlassen. Als sie schließlich in der „Buckligen Welt“ – einer Gegend bei Graz, deren Name für Setzwein auch als Symbol für die unlogische Welt Kafkas gilt – unterhalb eines Schlosses in einem Gasthof einkehren, trifft Kafka auf Gestalten aus seinen Romanen „Das Schloß“, „Der Prozeß“ und „Amerika“, die ihm vorwerfen, dass er keinen seiner Romane vollendet habe.
Setzwein las ausgewählte Stellen, die er durch Erzählung des dazwischenliegenden Inhalts verband. Er las mit sonorem Bariton sehr ernsthaft, viel ernsthafter, als sein Roman ist. Der lässt einen kundigen Leser dauerschmunzeln über die zahlreichen literarischen Hinweise. So lästert zum Beispiel Marek Hłasko ausgiebig über den altväterlich-umständlich formulierten Beginn von Thomas Manns „Joseph und seine Brüder“ – ohne, dass der Romantitel genannt wird.
Dieser Kafka-Roman ist ein großes Vergnügen für Literaturkenner, deren Vergnügen es ist, die zahlreichen literarischen Verweise und Kafka-Zitate zu finden und zu entschlüsseln.
RAINER W. JANKA