Komplexe Klangmuster

von Redaktion

Egberto Gismonti spielt anspruchsvolle Eigenkompositionen an Gitarre und Flügel

Bad Aibling – Es hat laut Mitorganisator Thomas Jahn sieben Jahre gedauert, um einen der „sehr Großen“ der internationalen Gitarrenszene zu den „Saitensprüngen“ nach Bad Aibling zu locken: Egberto Gismonti. Dieses Jahr war es soweit, und damit reihte sich der Mittsiebziger aus Brasilien ein in das Portfolio von Stars wie Tomatito, Bireli Lagrene, John McLaughlin und Al Di Meola.

Vom Amazonas bis zum Jazz-Club

Der brasilianische Virtuose kann auf eine lange Karriere zurückblicken, mit Studium in Paris und Einflüssen aus vielen verschiedenen Stilrichtungen zwischen indigenen Klängen von Amazonasvölkern über Bossa Nova bis zum Jazz. So hat Gismonti auch mit Miles Davis und Quincy Jones zusammengearbeitet.

Auf der Bühne des großen Kursaals präsentierte sich Gismonti schweigend und geheimnisvoll. In der Jazzszene kennt man solche mystischen Auftritte von Jan Garbarek, mit ihm und dessen Stammpercussionisten Nana Vasconcelos hat Gismonti ja auch konzertiert. Das Duo – Begleiter war Daniel Murray – stieg ohne Umschweife ein mit einer Eigenkomposition des Virtuosen („Alegrinho“), der seiner zwölfsaitigen Gitarre, einer Spezialanfertigung, sofort komplexe Klangmuster entlockte, mit kurzen an spanische Klassik erinnernde Versatzstücke. Aufmerksam begleitet wurde er von Murray, der immer Blickkontakt zu Gismonti hielt, der sich wiederum mehrfach mit Handschlag bei seinem „Co“ bedankte. Temperamentvoll war der Einstieg in Stück zwei, eingeleitet mit klopfenden Handballen auf dem Korpus. Es entwickelte sich ein interessanter Dialog mit verschiedenen Stimmungen und Gefühlsnuancen. Das dritte Stück, der „Danca das Cabecas“ („Tanz der Köpfe“), begann ruhig, nahm Tempo auf und barg volksliedhafte Sequenzen. Allen Stücken gemeinsam war das nur kurze Anspielen harmonischer Muster beziehungsweise Melodien, was jeweils teils abrupt gebrochen wurde durch einen Wechsel im Duktus. Durchaus interessant für eingefleischte konzentrierte Hörer und mit einigen akustischen Schmankerln versehen, aber auch konträr zur Suche nach Harmonie, also ein Stück weit vom „Bauch“ zum „Kopf“ verschoben, wenn auch der „Danca“ kunstvoll rhythmisch voranging und meisterlich auf den Punkt endete. Ein toller Übergang war das folgende Duo von Gitarre und Flügel, auf welches die „Aguas luminosas“ folgten, das vielleicht stärkste Stück des Abends.

In einem fulminanten Piano-Solo entwarf Gismonti wahre, überbordende Klangkaskaden, bisweilen wild, dann wieder melodisch-träumerisch. Quirlige Stromschnellen, mächtige Natur und ruhige Kehrwasser entstanden vor dem geistigen Auge der Gäste.

Im Folgenden warf Gismonti das Publikum hin und her zwischen elegischen Stücken, um es darauf wieder mit Kompositionen voller überbordender Energie zu konfrontieren, euphorische Höhenflüge wechselten mit dramatischen Passagen.

Nach einem kräftig beklatschten Solo, filigran dargeboten von Murray, ging es Richtung Finale. Nach einem kurzen Avantgardestück gab es noch eine Portion Rhythmik und wortlos, aber mit einem zufriedenen Lächeln verschwanden die beiden Könner nach hoch konzentrierten anderthalb Stunden eines feinen Auftritts mit vielen klanglichen Entdeckungsräumen.

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