Jetzt häufen sich die Anfragen an die Kreisvolksmusikpflege Rosenheim, wann die gemeinschaftlichen „Singen im Advent“ in den Kirchen in der Reihe „Das geistliche Volkslied das Jahr hindurch“ sind. Viele Menschen wollen im Advent zusammen mit anderen ganz einfach passende Lieder selber singen und ohne Leistungsdruck dabei Freude empfinden – jüngere und ältere! Das gilt auch besonders für die Aktion „Weihnachtslieder Selber Singen“, die 2003 von den OVB-Heimatzeitungen und von der „Volksmusikpflege des Bezirks Oberbayern“ mit dem grünen Liederheft „Alle Jahre wieder“ ins Leben gerufen wurde. Die Anfragen zeigen, dass diese gesellige Singgelegenheit im Freien auch nach so vielen Jahren aktuell und gewünscht ist.
Gerade im Advent und bis zum Fest „Maria Lichtmess“ am 2. Februar war die „dunkle“ Zeit, die in früheren Generationen mit weniger Arbeit im bäuerlichen Umfeld belastet war, eine wichtige Gelegenheit für das Ausleben der Bräuche. Dazu gehörte auch das gemeinsame Singen zu bestimmten Gelegenheiten: Deshalb sind in unserer Heimat und im süddeutschen Sprach- und Lebensraum von Volksliedsammlern seit dem 19. Jahrhundert tausende von Liedern festgehalten worden.
Denken wir nur an die beiden Münchner Volksliedforscher August Hartmann (1846 bis 1917) und Hyazinth Abele (1823 bis 1916), die in den 1870er- und 1880er Jahren in vielen Dörfern in den heutigen Landkreisen Rosenheim, Traunstein, Mühldorf, im Rupertiwinkel und im Berchtesgadener Land unterwegs waren. Von ihnen wurden zahlreiche Lieder vor dem Vergessen bewahrt, ohne die nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufkommenden „Adventsingen“ nicht möglich gewesen wären. Aus Pfaffenhofen bei Rosenheim stammt beispielsweise „Tochter Sion, deine Porten öffne heut an allen Orten“, aus Hittenkirchen das Mettenlied „Brüader auf und lasst euch sagen“ oder aus Sachrang „Ein Kind ist uns geboren, das Gott und Mensch zugleich“.
Für die Entstehung der Adventsingen verantwortlich waren zum Beispiel Tobi Reiser (1907 bis 1974) in Salzburg, die in Riedering wohnende Annette Thoma (1886 bis 1974), das Bildungswerk Rosenheim mit Rosl Brandmayer (1905 bis 2000) und natürlich der Kiem Pauli, der in München das erste Adventsingen mit den aus dem Krieg heimkehrenden Sängern und Musikanten organisierte. Alsbald haben viele örtliche Gesangsgruppen und Pfarrgemeinden diese neue Form übernommen. Kiem Pauli hat 1951 im Bildungswerk Rosenheim einen allgemeinen Singtag gehalten, bei dem alle gemeinsam die Advent- und Weihnachtslieder gesungen haben, die in einem kleinen Heftchen gesammelt und vom damaligen Verlag Hasinger gedruckt wurden.
Ein kleiner sprachlicher Exkurs: Damals hat man den neuen Begriff „Adventsingen“ meist in der üblichen süddeutschen Hochsprache geschrieben, also nur mit einem „s“! – Heute wird oftmals „Adventssingen“ geschrieben, mit dem zweiten „Genitiv-S“, so wie es von den EDV-Schreibprogrammen korrigiert wird, die der süddeutschen Hochsprache nicht mächtig sind! Wir schreiben selber immer noch „Adventsingen“ und hoffen auf viele Nachahmer.
Im Advent laden wir täglich bis zum 23. Dezember in ganz Oberbayern zum gemeinsamen Singen ein. Alle Termine kann man der neuen Ausgabe der kostenlosen „Volksmusik-Zeitung“ entnehmen, die der „Förderverein Volksmusik Oberbayern“ gern auf Anforderung zuschickt (83052 Bruckmühl, Pfarrweg 11, Telefon 08062/8078307, E-Mail ernst.schusser@heimatpfleger.bayern).
Im Verbreitungsgebiet des OVB und seiner Heimatzeitungen finden die „Singen im Advent“ in der Filialkirche Mittenkirchen statt, die Aktion „Weihnachtslieder Selber Singen“ in Wasserburg, Bruckmühl, Waldkraiburg, Mühldorf, Rosenheim (18. Dezember), Prien (19. Dezember) und Schnaitsee (20. Dezember). Wir freuen uns auf viele Mitsänger! Ernst Schusser