Seismografien aus Unterbewusstsein

von Redaktion

Städtische Galerie im Kulturforum Traunstein zeigt künstlerische Vielfalt der Zeichnung

Traunstein – Besucht man ein Museum oder eine Galerie nur, um „schöne Bilder“ anzuschauen? Oder nutzt man die Gelegenheit, in der Zwiesprache mit Kunstwerken und künstlerischen Ausdrucksmitteln wechselnde Perspektiven auszuprobieren und den eigenen Horizont neu abzustecken? Genau dazu lädt die Ausstellung in der Städtischen Galerie im Kulturforum Klosterkirche in Traunstein ein. Sie ist bis 15. Dezember zu sehen.

Vielfältige
Positionen

Unter dem Motto „Jede Linie ist eine Spur III“ hat Galerieleiterin Judith Bader acht Künstler aus dem Chiemgau, aus München und Regensburg eingeladen. Die Zahl drei verweist darauf, dass es bereits 2011 und 2012 eine entsprechende „Spurensuche“ in der Galerie gegeben hat. Erstaunlich ist die Vielfalt und der Zusammenhang der künstlerischen Positionen, die sich unter dem verbindenden Thema der Linie in den jeweiligen Arbeiten offenbart.

In der Linienführung, dem Strich, der schraffierten Fläche oder der Eröffnung eines perspektivischen Raums zeigen sich mitunter wie in einem Psychogramm die inneren Prozesse und Dynamiken der Künstler während ihres Schaffens. Kraftvolle, vehemente Motorik steht dabei gleichwertig neben feinnervig gleitenden Linien, die sensibelste Eingebungen und Regungen aufnehmen.

Dies gilt auch für die Werke der acht Künstler in der Städtischen Galerie. Sie machen deutlich, dass es in der Gegenwartskunst nicht unbedingt um „den Gegenstand, die dekorativ gesetzte, spielerische Form oder die linear erzählte Geschichte“ geht, wie Galerieleiterin Judith Bader erklärt. Ziel des Interesses sind die Wahrnehmungsprozesse – aus der Perspektive des Künstlers und des Betrachters.

Stefanie Unruh kombiniert in ihren Arbeiten präzise ausgearbeitete Blumenornamente gleichwertig mit Linien, die blind gezeichnet wurden. Sie greift damit eine Methode der Surrealisten auf, um unbewusst auftauchende Bilder, Gefühle und Themen möglichst ohne Eingreifen des kritisch-beobachtenden Verstands auf das Papier zu bringen.

Dietmar Janz, der mit einer zehnteiligen Wandarbeit und einem seiner vielen Kunstbücher vertreten ist, räumt der Ausdruckskraft seiner spontanen, eruptiv-intuitiven Linienführung große Wirkmacht und Raum ein. Um danach in einer systematisch ordnenden Zusammenstellung der expressiven Einzelblätter kontrollierend einzugreifen.

Auf ganz andere Weise macht Alessia von Mallinckrodt das Wechselspiel von lebendigen Prozessen und künstlerisch-ordnenden Eingriffen in einer seriell gefertigten Arbeit aus 40 Einzelstücken anschaulich. Sie lässt farbiges Wasser auf ein Blatt tropfen und trocknen. Den dadurch entstehenden, poetisch-amorphen Formen verleiht sie im Anschluss durch rot eingezeichnete, geometrische Elemente mit einer Art Holzmaserung Tiefe und Ausdruck. Zu einer ähnlichen „Spurensuche“ reizt ihre großflächige Arbeit auf einer Bestandswand der Galerie, die an drei Tagen entstanden ist.

Faszinierend ist, wie Barbara Regner auf ihren „Stickbildern“ mit Nadel und Faden etwa die Großstadt Tokio zu einem fluiden Gebilde aus sich bewegenden Menschenmassen und Energien werden lässt. Der deutsch-japanische Bildhauer und Keramikkünstler Daisuke Ogura wiederum nutzt eine Töpferscheibe, um unterschiedlich schattierten konzentrischen Kreisen einer Bunt- und Bleistiftzeichnung eine hypnotische Tiefenwirkung zu verleihen.

Räumliche
Rhythmisierung

An Lochkarten oder Werke der konkreten Kunst erinnert Christine Ott mit zwei reliefartig aufgebauten Arbeiten. Durch Einschnitte in einen schwarz und weiß geschichteten Passepartout bringt sie Linien und schwarze Rechteckflächen in räumlicher Rhythmisierung in Bewegung.

Gesellschaftskritisch lässt Tatjana Utz in ihren kolorierten Zeichnungen die Themen Waldsterben, Zerstörung und Neubeginn anklingen. Esther Glück wiederum öffnet in ihrer Skulptur „Briefe an Björn Höcke, verpresst und verschnürt“ Assoziationen an politischen Druck, Gewalt-Rhetorik und die Einschränkung gedanklicher Freiräume durch rechte Populisten.

Bis 15. Dezember

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