Erl – Bis das Publikum im Festspielhaus seine Plätze eingenommen hatte, war der offiziell vorgesehene Beginn des Weihnachtsoratoriums schon einige Minuten überschritten. Als aber dann die ersten Takte von Bachs jubilierendem Klangwunder mit dem „Jauchzet, frohlocket, auf preiset die Tage“ ertönte, kehrte im Saal augenblicklich Ruhe ein. Chor und Orchester der Tiroler Festspiele unter der musikalischen Leitung von Vinzenz Praxmarer versetzten den Hörer mit einer umjubelten Aufführung in eine weihnachtliche Stimmung. Die Solisten waren Anna El-Khashem (Sopran), Stefanie Iranyi (Alt), Martin Mitterrutzner (Tenor) und Lukas Enoch Lemcke (Bass).
Anrührend und
mit festlicher Freude
Mit Herzblut übernahm der Chor in der ersten Kantate die festliche Freude, bevor Tenor Martin Mitterrutzner mit der Weihnachtserzählung anhob. Anrührend war das Rezitativ, das Stefanie Iranyi, begleitet von zwei Oboen, klangschön zum Ausdruck brachte. Voller verhaltener Zartheit erklang ihre Arie „Bereite dich Zion, mit zärtlichen Trieben“, mit innigem Ernst sang der Chor den Choral „Wie soll ich dich empfangen“. Samten und weich ertönte „Er ist auf Erden kommen arm“, von Oboen und Fagott in Terzenketten behutsam begleitet.
Mit schlanker Eleganz und konzentrierten Gesten dirigierte Vinzenz Praxmarer den großen Klangkörper des Orchesters und den stimmmächtigen Chor. Nach einem virtuosen Trompetensolo huldigte Bassist Lukas Enoch Lemcke dem „großen Herrn und starken König“. Geschmeidig eröffneten die Streicher nach dem Choral „Ach mein herzliebes Jesulein“ mit der Sinfonia die zweite Kantate. Zart und hell klangen die Holzbläser, die das Glück der Verkündigung durch die Engel in Töne setzten. Zum jubilierenden Spiel der Querflöte sang Martin Mitterrutzner ausdrucksvoll „Frohe Hirten, eilt, ach eilet.“ Die Fröhlichkeit in den Arien und der besinnliche Ernst in den Chorälen schufen eine Atmosphäre freudiger Erwartung, aber auch leiser Melancholie. Ergreifend zur Oboenuntermalung intonierten Sopranistin Anna El-Khashem und Bassist Lukas Enoch Lemcke in der dritten Kantate „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen“, melodische Geschmeidigkeit verströmte die Arie „Ja, ja, mein Herz soll es bewahren“. Von kraftvollem Forte bis zum zarten Piano wechselte der Chor im Choral „Ich will dich mit Fleiß bewahren“.
Ergreifende
Einstimmung
Stets standen Chor und Orchester zu den Solisten in einer klanglichen Balance. Eindringlich wirkte Anna El-Khashems kühler Sopran mit dem Echo-Effekt der Oboe in der vierten Kantate. Immer wieder führte der Chor gleich einer Schar Engel die Rezitative ein. Glanzvoll spielten die Violinen nach den strahlenden Koloraturen der Sopranistin. Die dramatischen Steigerungen, die Chor und Orchester zu Gehör brachten, erhielten vom Publikum begeisterten Applaus. Eine ergreifendere musikalische Einstimmung auf die Weihnachtszeit ist nicht möglich.