Wasserburg – Zeitgenössische Kunst zum Thema Desinformation ist derzeit im Ganserhaus zu sehen. Der Arbeitskreis 68 zeigt in seiner Mitgliederausstellung eine bemerkenswerte Vielfalt an Arbeiten, in denen die Phänomene Falschnachrichten, Verschwörungstheorien und Manipulation von Meinungen im Mittelpunkt stehen.
Desinformation und
Verschwörungstheorie
Was wahr ist und was nicht, lässt sich in einer digitalisierten Welt mit künstlicher Intelligenz immer schwieriger einordnen. „Fake News“ werden zu Wahrheiten und Wahrheiten zu „Fake News“. Immer öfter bedienen sich auch gerne Politiker weltweit je nach Belieben dieser Desinformationsstrategie. „Wissenschaft und unabhängige Medien werden diskreditiert; Verschwörungstheorien grassieren. Man spricht bereits vom Post-fact- bzw. Post-truth-Zeitalter“, beschreibt Ideengeber Harald Michel das von ihm formulierte Ausstellungskonzept.
107 Mitglieder sind Michels Überlegungen gefolgt und haben dazu ihre künstlerischen Positionen eingereicht. Entstanden ist die Kunst des „Fakes“ als überaus spannendes Panoptikum mit Malerei, Skulpturen, Installationen und Grafik. Die Inhalte der Arbeiten reichen von unterhaltsamer Ironie bis hin zu besorgniserregenden Phänomenen wie die Beeinflussung von Meinungen.
Einen finanziellen „Rettungsschirm“ mit vielen Millionen hat der Wasserburger Bildhauer Wilhelm Zimmer oder besser gesagt seine Bronze-Skulptur im Keller des Ganserhauses aufgespannt. Leider stammen die Scheine aus der Zeit der Hyperinflation in den Jahren von 1914 bis 1923. Die radikalste aller europäischen Geldentwertungen war auf die desaströse Scheinfinanzierung des Ersten Weltkrieges zurückzuführen. Berthold Köhl zeigt „Das goldene Zeitalter“ als abstraktes, farbintensives Gemälde in Acrylfarben und Sand. Auch hier wurde das Ausstellungsthema subtil getroffen. Ob das goldene Zeitalter als metaphorische Beschreibung einer dauerhaft glücklichen Friedenszeit jemals anbrechen wird, bleibt aufgrund ständiger kriegerischer Konflikte auf der Welt eine Wunschvorstellung.
Ein weiteres, fatales Schicksal droht unserer vom Klimawandel bedrohten Erde ohnehin. In Martina Alexandra Wagner-Al Yassins Bild „Earth“ ist sie noch der blaue Planet, allerdings schon mit deutlich sichtbaren Auflösungstendenzen.
Bei mit künstlicher Intelligenz (KI) erstellten Bildern verschwindet die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge immer mehr. Fotokünstler Stephan Obermüller nennt seine KI-basierten Fotoarbeiten Promtografien. Er zeigt das Triptychon „Invisible Titan – Bilder aus Strom“ und „Radiobraut“. Gerade in „Radiobraut“ wird deutlich, wie bizarr ein mit KI generiertes Bild das ursprüngliche Motiv verändern kann.
Harald Michel ist als Ideengeber mit einer ganzen Serie von Arbeiten vertreten. Darunter finden sich ironische Objekte wie „Ein Schwarm junger Alaska-Seelachse“. Es sind Fischstäbchen mit Augen, die auf die Ausstellungsbesucher gerichtet sind. Seine Serie manipulierter Fotografien ist der Stadt Wasserburg gewidmet. So wird die Wasserburger Innfront zum Drehort für die neue Game-of-Thrones-Staffel. Die aus der Serie bekannten feuerspeienden Drachen üben schon mal fleißig über den Dächern der Altstadt.
Hier ist der Fake natürlich offensichtlich. Doch nicht jede fotografische Manipulation wird so schnell erkannt. Bei einer Aufnahme des stadtbildprägenden Brucktor-Ensembles tun sich selbst profunde Altstadtkenner sehr schwer, was mit dem Bild genau nicht stimmt.
Unterhaltsam und
besorgniserregend
Insgesamt begegnet den Ausstellungsbesuchern eine Fülle kreativer Ideen, unterhaltsam und besorgniserregend zugleich. Denn „Fake New World“ zeigt, die Beeinflussung von Meinungen durch Falschnachrichten ist längst allgegenwärtig. Es wird immer schwieriger, Manipulationen auch als solche zu erkennen. Schon allein deshalb ist die Ausstellung sehenswert.