Bad Endorf – Ganz ehrlich: Wenn man so einige kreative Ideen aus der Theaterwelt ins echte Leben transferieren würde, ließe sich manch‘ Lücke schließen. Personalnot hin oder her: Fällt an oberster Stelle jemand krankheitsbedingt aus, braucht es Ersatz. Eh klar. Aber woher nehmen? Unvorstellbar etwa, der viel beschäftige Weihnachtsmann fiele kurz vorm Feste aus und könnte seine Geschenke nicht unter die Bäume bringen. Dieses Szenario, welches schon so manch Film- oder Theatermacher zu witzigem Plot verarbeitete, erlebten die kleinen und großen Gäste in der neuen Spielstätte des Immling-Festivals, dem Kultwerk, als traumhaft schönes Tanztheater: „Der Weihnachtshase“.
Eine witzig-spritzige Geschichte, tanzend „erzählt“ und mit nur sparsam eingespielten Texten ergänzt: Die Kinder passten haargenau auf, was da passiert. Es weihnachtete ziemlich in dem von Judith Seibert choreografierten Tanztheater. Auf der Bühne tanzten zwischen der weiß verschneiten Tannenkulisse, in schwebender Manier, auf Zehenspitzen und in eleganten Pirouetten die Schneeflöcklein umher – das vierköpfige Ensemble des Tanztheater Judith Seibert machte lockerflockig im Walzertakt Vorweihnachtslaune. Eine tanzende Schneeflocke war eindeutig männlich – sehr zur Belustigung einer Mädelgruppe in der ersten Reihe.
Dann, der Weihnachtsmann, ganz privat, noch im Lotter-Outfit und in Pantoffeln, kurz vor der geschäftigsten Auslieferungszeit, tänzelte er mit Zipfelmütze auf dem Haupt umher. Seine fesche Köchin will mehr als nur fürs leibliche Wohl zuständig sein. Ihre Flirtversuche im Tangoschritt, verführerisch, aber noch nicht zielführend, interessieren den Weihnachts-Workaholik nicht die Spur.
Als ihn plötzlich die Grippe anspringt, ist guter Rat teuer. Ab ins Bett, heißt es und sogleich wird nach einer passenden Vertretung gesucht. Ein Rentier steppt mit flotten Hufen daher: Zu hektisch und ungeschickt, wenn auch flink, stellt sich im getanzten Bewerbungsgespräch heraus.
Aber da gibt es doch den langohrigen Kollegen, der im Frühjahr immer Eier versteckt – und der hat im Winter Zeit, wie sich beim geschmeidig getanzten Anhopsgespräch herausstellt. Nur leider kann das Hasentier nicht aus seiner Haut. So geschäftig und flink er auch ist, am Ende liegen überhaupt keine Geschenke unter den Bäumen der Erdlinge, weil er, seinem Naturell entsprechend, einfach alles versteckt. Also zieht der Weihnachtsmann dem Osterhasen erst mal die Löffel lang. Das Rentier tritt als Tröster auf und zu „I’m dreaming of a white Christmas“ im Pas-de-Deux, kommt trotz Hasenmalheur, Sympathie auf.
Keine Geschenke an Weihnachten, das verwirrt erst einmal alle. Doch, wo rein materiell nichts ist, kommt man sich plötzlich näher und erkennt das wahre Weihnachtsglück: Nähe und Liebe. Das tut auch dem Weihnachtsmann, der endlich versteht, was seine Köchin wollte, wohl. Zu dem Popsong der Pointer Sisters – „I’m so Excited“ tanzten alle – Osterhase, Rentier, der Weihnachtsmann und seine Köchin ins weihnachtliche Happy End.
Das junge Publikum hat die Botschaft verstanden und spendete kräftig Applaus. Eine schöne Idee, die in ihrer professionellen, viele Tanzgenres beinhaltenden Umsetzung (Jochen Vogel als Weihnachtsmann, Judith Seibert als Osterhase, Sabine Neumann als Rentier und Ines Meissner als Köchin), eine sehr willkommene Abwechslung im vorweihnachtlichen Kinderkulturangebot darstellte.
Kirsten Benekam