Kolbermoor – Bachs Weihnachtsoratorium hört man vor und an Weihnachten allenthalben – und vergisst dabei, dass es darüber hinaus eine Vielzahl von Weihnachtsmusiken gibt. Darauf hingewiesen zu haben, ist der größte Verdienst von Gerhard Franke, der mit der Chorgemeinschaft der Stadtkirche Kolbermoor, dem Orchester „pizzicato“ und Solisten in der Kirche Wiederkunft Christi drei unbekannte Weihnachtskantaten aufführte. Franke gab dabei immense dirigentische rhythmische Impulse, die das solid aufspielende Orchester gerne aufnahm.
Das „Weihnachtsoratorium“ von Arnold Melchior Brunckhorst (1670-1725) ist – neben denen von Schütz und Bach – eines der wenigen, denen der vollständige Text aus dem Lukas-Evangelium unterlegt ist. Brunckhorst war als Organist in Hildesheim, Braunschweig und Celle tätig. Pauken und Trompeten schmücken auch hier das weihnachtliche Geschehen schon in der glanzvollen Anfangs-Sinfonia und dann später beim Verkündigungsengel, der Chor darf jubeln und auch ein sehr bewegtes Pastorale singen und der Tenor beschwört den Frieden.
Dieser Tenor, Stephan Schlögl, ein ehemaliger Regensburger Domspatz und Mitglied vieler renommierter Chöre, sang mit gut geschulter Stimme und einem leuchtenden Kern die Rezitative und diese Arie. Der Verkündigungsengel ist hier kein Sopran, sondern der Bass – Thomas Schütz verkündete koloraturenreich und prononciert. Auch Sopran und Alt sind mit von der Partie: Claire Elisabeth Craig, die Sopranstimme beim Gesangsensemble „Singerpur“, mit klarem und kraftvollem Sopran, Tracy Adele Cooper mit ausladendem Alt, sie sang dabei das Publikum direkt an. Der Chor, stimmlich deutlich angeführt vom sicheren Sopran, hielt sich wacker und fühlte sich bei den homophon-blockhaften Stücken wohler als bei den durch Koloraturen bewegten Stücken.
„Ein hoher Tag kömmt“ heißt die Kantate von Gottfried August Homilius (1714-1785), Kreuzkantor in Dresden. Der frohlockende Anfangschor ist verzahnt mit Solisten-Duetten und natürlich mit Pauke und Trompeten geschmückt. Der Hauptteil ist ein Solisten-Terzett ohne Bass, in dem immer wieder ein erregtes Geigen-Motiv den besungenen „Tag des Heils“ anfeuert. Die Kantate endet mit einer Sopran-Arie samt Chor, in dem wiederum eine Sechzehntelfigur der Geigen die Freude anheizt.
Von Johann Michael Haydn (1737-1806), dem in Salzburg wirkenden Bruder von Joseph Haydn, stammt die kurze, aber wohlklingende Kantate „Lauft, ihr Hirten, allzugleich“. Hübsch ausgemalt in den Geigen und im Chor ist das Laufen der Hirten mit einem Moll-Teil mittendrin, als ob die Hirten sich verlaufen hätten, Bordun-Akkorde charakterisieren das Volksliedhafte, die Kantate endet mit einem Chor-Schlaflied, in dem die Männerstimmen das Christkind etwas zärtlicher in den Schlaf hätten singen dürfen. Mittendrin eine Arie für Sopran: Das war die Stunde für die junge Aurelia Franke, die mit einer feinen und liebreizenden Mädchenstimme die Hirten mit vielen freudigen Wiederholungen ansang. Glockenrein waren die hohen Stellen – nur hörbare Konsonanten wären noch schöner gewesen. Die Sympathien der Hörer gewann sie im Sturm. Stürmisch war auch der Endbeifall für dieses programmatisch außergewöhnliche und wahrlich weihnachtswürdige Konzert.
RAINER W. JANKA