Die Poesie des Alltags erkunden

von Redaktion

Bildhauerin Christina von Bitter stellt im Kulturforum Klosterkirche aus

Traunstein – Mit einer Skulpturenausstellung der Bildhauerin Christina von Bitter überrascht die Städtische Galerie im Kulturforum Klosterkirche in Traunstein Kunstinteressierte zum Auftakt des neuen Jahres.

Einmal mehr wird dabei der inzwischen zum Veranstaltungsraum umfunktionierte ehemalige Sakralbau von 1690 zur Bühne eines reizvollen Dialogs zwischen Kunst, Poesie und Architektur. Christina von Bitter, die in München und Aschau lebt, präsentiert einen Querschnitt durch ihr Werk: Bronzen, Skulpturen aus Gips, Draht und Papier sowie Skizzen und Papierarbeiten aus zwei Künstlerbüchern, die in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller und Dichter Michael Krüger entstanden sind.

Die Poesie der Wirklichkeit in vermeintlich banalen Dingen des Alltags zu entdecken, zu erkunden und be-greifbar zu machen, ist ganz offenkundig ein Anliegen von Christina von Bitter. In Traunstein zeigt sie gleich eine ganze Reihe unterschiedlich großer Kannen, mal auf dem Podest, mal direkt auf dem Boden. Der Variantenreichtum der Größe, die haptische Modellierung der Oberfläche, die Farbgestaltung in Weiß, Pink oder Gelb und Titel wie „Süß duftet“ oder „morgens“ verschaffen diesem normalerweise industriell gefertigten Produkt eine Individualität und innere Lebendigkeit, die erstaunt. Aus dem Massenprodukt wird eine Skulptur voller Poesie und Heiterkeit, die die Aufmerksamkeit des Betrachters fesselt.

Wie eine „Haut der Dinge“ lässt Christina von Bitter auch ihre Kleidskulptur „Spinning Jenny“ im schwarz ausgekleideten Chor der Klosterkirche in der Luft schweben, die aus der Ferne wie eine zweidimensionale Grafik erscheint. Ebenso wie die Dimensionalität verschwimmen hier die Grenzen zwischen Innen und Außen, Oberfläche und Innenleben.

In ähnlicher Weise erweckt die Bildhauerin auch Häuser zu neuem Leben. So erscheint etwa ihr Haus „Huckepack“ als Konglomerat faszinierend ineinander verschachtelter oder aufeinander gestapelter Häuserteile, die eine ganz neue Form ergeben. Wie von inneren Dämonen bewohnt, entwickelt auch ihr „Geisterhaus“ ein ungewöhnliches Eigenleben. Faszinierend ist dabei, dass sich ihre Plastiken eindimensionalen Interpretationen entziehen und in ihrer Poesie Gedankenspiele zwischen unterschiedlichen Bedeutungsebenen anregen.

Umgekehrt erkundet sie in ihren stelen- und turmartigen Plastiken analytisch die Wechselwirkung von Raum und Nicht-Raum, Licht und Dunkel, Durchbruch und Fläche, Innen und Außen, Architektur und Skulptur. In ihrer starken Betonung der Silhouette ähneln sie den überstreckten Figuren des Schweizer Bildhauers, Malers und Grafikers Alberto Giacometti. Er hat sie ebenso als Vorbild inspiriert wie der Surrealist Max Ernst und der für seine Stillleben weltweit anerkannte Maler Giorgio Morandi.

Eine nicht weniger eindrucksvolle Erfahrung war für Christina von Bitter, als junge Kunststudentin bei der Gestaltung des Tarot-Gartens der französischen Bildhauerin Niki de Saint-Phalle in der Toskana mitzuarbeiten. Ihren prägenden Lehrer fand sie dann in der Meisterklasse von Lothar Fischer an der Hochschule der Künste in Berlin. Dem Schüler des Bildhauers Heinrich Kirchner begegnete von Bitter ganz überraschend auch vor der Klosterkirche in Traunstein: Dort steht imposant dessen „Wächter im Paradies“.

Bis 2. Februar

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