Rosenheim – Krasse Szenerien und wilde Fratzen: Während die Städtische Galerie noch die Kulturszene mit der „Punk“-Ausstellung rockt, hat der Kunstverein nachgezogen und präsentiert mit Pio Sebastian Ziltz einen provozierenden, interessanten Künstler der jüngeren Generation. „Happy Dissolutions“ heißt das Motto, unter dem seine Arbeiten gerade in den Räumen der Kunstmühle in der Klepperstraße zu sehen sind.
Doppelbödige
Figuren
Ziltz hat eine Ausbildung an der Schule für Fachkeramik in Landshut absolviert, danach studierte er an der Akademie der Bildenden Künste in München, zunächst bei Professor Norbert Prangenberg, und schloss 2017 bei Professor Markus Oehlen ab. Seine Werke gestaltet er meist in knalligen Farben. Hinter dem poppigen und trashigen Äußeren verbergen sich allerdings immer Geschichten. Somit stößt man bei der genauen Betrachtung auf einen doppelten Boden und auf teils unangenehme gesellschaftliche Hintergründe und Fragestellungen.
Dr. Olena Balun, Vorsitzende des Kunstvereins Rosenheim, bezeichnete Ziltz in ihrer Eröffnungsrede als „Joker“, „rücksichtslosen Outsider“, als einen „Punkrocker schlechthin“ und „jenseits des Establishments“. „Er traut sich was. In seinem Wanderzirkusuniversum schafft er es, hoffnungslos Dinge anzusprechen, die oft Tabus sind. Und er schafft es, sie in ihrer Grauenhaftigkeit als kunterbunte Hölle so vor Augen zu führen, dass sie aber nicht zensiert werden können“, so Dr. Balun.
Als Vorbilder nennt Ziltz den Sound der Band „Dead Kennedys“ und von Lou Reed sowie die Bilderwelten des jüngst verstorbenen Regisseurs David Lynch, der ja selbst 2019 seine Malerei beim Kunstverein ausgestellt hatte. Beim Rundgang durch die von Martl Fritzsche und den Mithelfern vom Kunstverein arrangierte und kuratierte Ausstellung erlebt man einen sich ergänzenden Mix aus Malerei und Skulpturen.
Als „Bombs and heads“ begrüßen einen gleich zu Eingang bunte Fratzen. „Hustle and slavery“ thematisiert Ausbeutung und Wohlstandsgefälle. Eine große bunte Keramik zeigt eine Art Fantasy-Haus, welches einem Zeichentrick-Gruselfilm entsprungen sein könnte, bei näherem Hinschauen entdeckt man pikante Szenen.
Sehr explizit ist eine Skulptur, die als Diorama einen halbrunden Raum zeigt, in der eine Mumie von Fratzen umgeben ist, wie ein Solo-Schauspieler von Publikum in den Rängen.
Missbrauch und
Politik als Themen
Die skurrilen Keramiken sind technisch beeindruckend fein ausgeführt, mit vielen Details. Eine aktuelle Debatte findet sich in der Keramik „Daddy in the wrong bed“ als abstoßende Interpretation von Missbrauch, eine „schmerzhafte pinke Kinderhorrorstory“, so Dr. Balun eingangs.
Beinahe etwas unscheinbar gehängt, drückt das Bild von Ziltz „Alle wollten wieder hässlich sein“ seine Auseinandersetzung mit deutscher Politik aus: Polizeihund, Schornsteine, deutsche Flagge und marschierende Unsympathen sprechen eine deutliche Sprache.