Rosenheim – Mit der „Abendmusik“ hat Christopher Ryser, Kirchenmusiker in St. Nikolaus, eine höchst verdienstvolle Besinnungs-Konzertreihe initiiert: Eine gute Stunde lang kann man am Sonntagabend qualitätvolle Chor- und auch Orgelmusik hören und inspirierenden Worten der Gemeindereferentin Hannelore Maurer „nachdenken“: eine im wörtlichen Sinne sinnvolle Weise, die Woche zu beginnen.
Immer steht so ein Abend unter einem Motto. Diesmal war es „Nunc dimittis“, die Worte des greisen Simeon bei der Darbringung Jesu im Tempel, dass er jetzt sterben könne, nachdem er Jesus, das Licht der Welt, gesehen hat. William Byrd (1540 bis 1623) hat diese Worte vertont, nicht nur jede einzelne Zeile, sondern so manches einzelne Wort. Der Kammerchor folgte dem aufmerksam und ließ das Wort „Pace“, also Friede“, ruhig fließen und „lumen“, das Licht, hell aufleuchten.
Hannelore Maurer stellte das Licht in den Mittelpunkt ihrer philosophischen Gedanken, benannte die Musik als Licht, das man hören kann, betonte, dass wir alle Lichtträger seien und dass wir ein Licht bräuchten, das in die und aus den Herzen strahlt. Dieses Licht strahlte in der Tat aus der Musik: Ryser spielte zwei weihnachtliche Choralbearbeitungen von Dietrich Buxtehude (1637 bis 1707): „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ glitzerig registriert, in freudigem Tempo, mit am Ende hochschießender Freude und so transparent, dass man die Wanderungen des Choralthemas durch alle Stimmen hörte. „Mit Fried und Freud fahr ich dahin“, diese Worte des greisen Simeon, hat Buxtehude kontrapunktisch vielfältig vertont, Ryser hellte auch diese eigentliche Klagemusik lichtvoll auf.
Anfangs sang der Chor hoch von der Orgelempore „Frohlocket, ihr Völker auf Erden“ von Felix Mendelssohn Bartholdy mit wohlig-satten Septakkorden. Für alle anderen Motetten stand der Chor, einzeln aufgereiht in großem Bogen, vor dem Altar.
Ganz in Ruhe entfaltete Ryser die Polyphonie in „O magnum mysterium“ von Thomas Luis de Victoria (1548 bis 1611), bis sich die Alleluja-Freude polyrhythmisch Bahn brach.
Hannelore Maurer hatte vom Licht in so vielen Gemälden gesprochen: Wie ein Gemälde von Gerhard Richter mit verwischt wirkenden Unschärfen wirkte die schwedische Version von „Es ist ein Ros entsprungen“ von Jan Sandström (geboren 1954). Die bekannte Melodie war in Summen und schwimmende und schwebende Harmonien gebettet und musste sich harmoniefrei daraus entwinden. So schön wie schwer zu singen.
Mystisch schimmernd stiegen die Klänge von „O nata lux e lumine“ („O Licht, aus dem Licht geboren“) von Morten Lauridsen (geboren 1943) zum gotischen Gewölbe empor, vom Chor noch etwas vorsichtig gesungen.
Ganz sicher waren sich die Sänger in dem bekannten Lied „Ich lag in tiefster Todesnacht“ von Johannes Eccard (1553 bis 1611), das ja auch Bach in seinem Weihnachtsoratorium verwendet. In langsam schwingendem Tempo und glaubenssicherer Gelassenheit sang da der Chor von Christus als der Sonne, die „Licht, Leben, Freud‘ und Wonne“ bringt. All dies brachte den zahlreichen Zuhörern diese abendliche Besinnungsstunde. Ein herzlich langer Applaus war der Dank dafür. RAINER W. JANKA