Rosenheim – Bis auf den letzten Platz gefüllt war das „Le Pirate“, als der Pianist Claus Raible, ein dem Publikum dieses Clubs bestens bekannter Gastmusiker, erstmals in eigener Triobesetzung zu hören war. Zusammen mit dem jungen Belgrader Bassisten Milos Colovic und Xaver Hellmeier, einem hier ebenfalls bekannten Schlagzeuger aus München, ließ er die Musik legendärer Pianisten des frühen Modern Jazz wieder auferstehen, indem er deren Stücke neu interpretierte und eigene Kompositionen vorstellte, die den Geist dieser Ära atmen und weiterführen.
Federnde
Leichtigkeit
So vereinigte Claus Raible in seinem Spiel virtuos die federnde Leichtigkeit Elmo Hopes mit der quirligen Energie Bud Powells und den unorthodoxen Akzentverlagerungen Thelonious Monks. Den pointierten Akkorden der linken Hand setzte er mit der rechten Hand überraschende Linien und akustisch glitzernde Perlenketten kontrapunktisch entgegen.
Kongenial begleitete ihn Milos Colovic mit swingenden Walkingbass-Linien und Ostinato-Figuren, während Xaver Hellmeier mit energetischem Drive für rhythmische Spannungsbögen sorgte.
Atmosphärisch und vielseitig war das Programm des Abends, eine „Melange aus eigenen Kompositionen und neu bearbeiteten Jazzstandards aus der letzten CD“, wie Raible zu Beginn ankündigte. Schon Raibles erstes Stück „Excentré“ erklang ganz im Stil der großen Vorbilder mit ungewöhnlichen Stopps und Breaks und wechselnden Improvisationen. In „La Villa Oriental“ kam nach einer impressionistischen Einleitung ein exotisches Thema, das entfernt an Duke Ellingtons „Caravan“ erinnerte. Raibles im Höllentempo gespielte Bebop-Komposition „Cut Time“ bot Raum für virtuose Soli von allen drei Musikern.
Zu den neu arrangierten Standards gehörte die rhythmisch wie harmonisch exzentrische Nummer „Un Poco Loco“ aus der Feder von Bud Powell, bei der feurig aufgekocht wurde und die in ein donnernd rollendes Schlagzeugsolo mündete. Auch in Dizzy Gillespies „Tin Tin Deo“ zauberte Xaver Hellmeier mit der Präzision eines Uhrwerks auf den Tom-Toms und der Basstrommel, dazwischen ließ er die Becken zischen. Melancholisch wurde es in Consuelo Velázquez‘ Liebeslied „Besame Mucho“, das Raible im glockenklaren Anschlag atmosphärisch gestaltete. „Kein Jazz ohne Blues“, war danach die Ansage, und so folgte Thelonious Monks wohl bekannteste Blues-Komposition „Blue Monk“ mit allen Charakteristika seiner Spielweise.
Alle Register der Piano-Kunst gezogen
Neben Bebop und Blues gab es als Schwerpunkt die Interpretation lyrischer Balladen der Jazzgeschichte wie die im Triolen-Feeling mit Doubletime-Phrasierung vorgetragene Nummer „You Don’t Know What Love Is“ oder das durch Coleman Hawkins geadelte „Body And Soul“, das hier mit einer freien Pianoeinleitung und einem Latin-Ostinato kombiniert wurde.
Wenn es auch noch nicht Mitternacht war, so spielte Claus Raible im Alleingang nach dem offiziell letzten Stück „Funk On Parade“, der Hardbop-Erkennungsmelodie des Trios, die wohl berühmteste Modern-Jazz-Ballade als Zugabe: Monks „‘Round Midnight“, bei der Raible noch einmal alle Register seiner Piano-Kunst zog. Das Publikum dankte es ihm mit frenetischem Applaus.