Ein Ohrwurm nach der Schaffenskrise

von Redaktion

Der Rosenheimer Pianist Dieter Lallinger gibt am 14. März ein Konzert im Kuko

Rosenheim – Der Rosenheimer Pianist Dieter Lallinger und der schweizerische Cellist Wen-Sinn Yang geben am Freitag, 14. März, ein Konzert im Kultur- und Kongresszentrum. Yang ist derzeit Professor an der Münchner Musikhochschule, Lallinger ist emeritierter Professor an der Universität der Künste Berlin. Auf dem Programm stehen Werke der Spätromantik: die Cello-Sonaten von Richard Strauss und von Sergei Rachmaninoff und eines der Fantasiestücke aus op. 8 von Paul Hindemith. Im heiteren Gespräch erzählt Dieter Lallinger nicht nur von seinen vielen Skitouren, sondern erklärt natürlich auch das gewählte Programm. Weil wir uns schon lange kennen, haben wir das vertraute „Du“ gewählt.

Lieber Dieter, Du und Wen-Sinn Yang, ihr seid ja seit Jahren schon ein eingespieltes Duo und wart mit der oftmaligen Aufführung von Beethovens Cello-Sonaten höchst erfolgreich. Warum jetzt spätromantische Cello-Sonaten?

Ich war sehr frei in der Wahl. Wen-Sinn sagte: Such du die Stücke raus, ich mach mit.

Geschieht das immer so?

Normalerweise machen wir es zusammen, diesmal war ich der Führende – bis auf den Hindemith.

Auf den kommen wir noch.

Es war mein Wunsch, die Strauss-Sonate zu spielen, die ich lange nicht gespielt hatte, und die Rachmaninoff-Sonate, die ich noch länger nicht gespielt habe: vor 50 Jahren! Diese Sonate ist ein sehr romantisches Werk, ein hochvirtuoses, brillantes und unglaublich melodienreiches Stück, das in der russischen Tradition zuhause ist, mit unglaublich starkem slawischem Ausdruck und mit Melodien, die Volksmelodien sein könnten. Das zweite Thema im ersten Satz ist ein Ohrwurm.

Manche Kritiker stellen diese Sonate im Erfindungsreichtum noch über das berühmte zweite Klavierkonzert.

Interessant ist, dass diese beiden Stücke nahezu zeitgleich entstanden sind. Und zwar nach einer schrecklichen Schaffenskrise von Rachmaninoff, der eine vernichtende Kritik bekommen hatte nach seiner ersten Symphonie und seelisch am Ende war. Ein sehr guter Psychologe hat ihm dann geholfen, indem er ihm gesagt hat: Du kannst das! Du bist ein großer Musiker! Dann hat Rachmaninoff dieses zweite Klavierkonzert op. 18 und diese Sonate op. 19 im gleichen Zeitraum komponiert. Sie sind sich auch sehr ähnlich, der Schluss des ersten Satzes ist in beiden Stücken nahezu identisch, mit einer furiosen Coda, die ganz wütend abschließt. Der Klaviersatz ist sehr anspruchsvoll, es ist eher ein Konzert für Klavier mit Cello – wobei manche Pianisten sagen: Wenn das Cello nicht dabei wäre, wär’s noch schöner. (lacht).

Der Klaviersatz ist in der Tat herausfordernd mit seiner Vollgriffigkeit, den Oktavläufen und Arpeggien.

Aber trotzdem sehr transparent, es ist eine große Helligkeit darin. Der Schlusssatz ist durchgehend in Dur gehalten. Da steckt Zuversicht darin und der Gedanke: Ich kann wieder komponieren! Das Dur, das ja in der russischen Musik nicht so häufig vorkommt, wird hier richtig ausgekostet.

Diese Sonate hat viele kleine Tempo-Wechsel: Wie verständigt ihr euch während des Spiels?

Im Zuhören. Es muss gar kein Sichtkontakt da sein. Man hört, wie einer eine Phrase ansetzt oder eine Überleitung bringt. Das kann sogar spontan im Konzert anders sein, als man es geprobt hat. Das ist ja das Schöne bei der Kammermusik live (strahlt).

Zur Sonate in F-Dur op. 7 von Richard Strauss…

Rachmaninoff hat die deutschen Klassiker sehr geschätzt – von Strauss hat er überhaupt nichts gehalten! (lacht) Wir sehen das natürlich ganz anders.

Strauss hat seine Cello-Sonate schon im Alter von 17 Jahren komponiert, später aber eine ganz neue Fassung erarbeitet. Welche Fassung spielt ihr?

Die zweite Fassung, weil die musikalisch runder, interessanter und packender ist. Der erste Satz hat eine unglaubliche Kraft, es geht los mit einem Akkord, der meint: Ich hab‘ was zu sagen! Das ist eben Richard Strauss.

Diese Musik klingt gar nicht nach der „heiligen Nüchternheit“, die Strauss später als Motto hat.

(lacht) Ganz umgekehrt. Ich glaube, er hat damals auch schon Alkohol getrunken! Aber es gibt einen wunderbar tiefsinnigen langsamen Satz in d-Moll, man hört fast Beethovens „Pathétique“ darin. Aber man hört in der Harmonik: Hier ist ein Komponist, der neue Wege geht.

Paul Hindemith ist ja nun kein romantischer Komponist: Wie passt das Fantasiestück op. 8/Nr. 2 in das Programm?

Die frühen Werke von Hindemith sind ganz aus der romantischen Tradition entstanden mit hochexpressivem Ausdruck, in denen er die Harmonik ausreizt und teilweise ganz schräge Wege beschreitet, aber immer in die Tonalität zurückfindet. Ähnlich ist es in diesem Stück. Aber es ist auch ganz in der romantischen Tradition der Fantasiestücke für Klavier von Robert Schumann komponiert.

Das Stück wird höchst selten gespielt? Warum eigentlich?

Weil man es nicht so richtig gekannt hatte. Das Stück, das wir spielen, in h-Moll, ist das Wertvollste. Es kommt ganz aus der tiefen Romantik, was man beim späten Hindemith ja gar nicht mehr merkt, der sich ja ganz nüchtern und abstrakt anhört. Handwerklich auf sehr hohem Niveau, aber nicht mehr das Herz treffend.

Ihr spielt also lauter Stücke, die die Rosenheimer in Rosenheim wohl noch nie gehört haben.

Genauso ist es.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Warum seid ihr seit 35 Jahren ein so gutes Team?

Wir haben gemerkt, als wir das erste Mal zusammen geprobt haben: Wir müssen kaum reden, wir haben uns nur angeschaut und zugehört. Es war nicht kompliziert, es hat gepasst. Es war ein gemeinsames großes musikalisches Verständnis da. Interview: Rainer W. Janka

Konzertam 14. März

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