Vom Zauber der Welt hinter der Wirklichkeit

von Redaktion

Die international gefragte Künstlerin Meike Zopf stellt in der Galerie Kaysser in Ruhpolding aus

Ruhpolding – Wie viele und welche Wirklichkeiten liegen hinter der scheinbar realen Wirklichkeit? Eine Frage, die sich stellt, wenn man die aktuelle Ausstellung in der Galerie Kaysser besucht. Bereits der Titel gibt die Richtung vor, in der die Künstlerin Meike Zopf aus Hannover ihre Gemälde und Zeichnungen verstanden wissen will: „Abrakadabra“. Bereits in der Spätantike wurde diese Zauberformel verwendet, um Unglück und Krankheit abzuwehren oder gute Geister herbeizurufen.

Titel wie „Hokuspokus“, „Cosmic Rabbit“, „Zeitreisende“, „Die Alchemistin“ oder „Wisdom Keeper“ (Weisheitsbewahrerin) verweisen auf die thematische Tiefe, die Zopf in ihren Werken auslotet. Es geht um die Welt des Traums, der Magie, der Symbole, der Alchemie oder des kollektiven Unterbewussten, die die Künstlerin beschäftigen. Aber auch Poesie und kreative Schaffensprozesse, Tagträume oder spontane Assoziationsketten, die Ungewohntes in Beziehung zueinander setzen, zeichnen ihre Arbeiten aus. Aus der Kombination von gegenständlicher Darstellung und fragmentiert-abstrakten Traumszenarien entstehen Gemälde voller Faszinationskraft.

Sehr konkret fassbar wird diese kollagenhafte Technik etwa im großformatigen Gemälde „Bird Hour“ von 2023. Auf den ersten Blick sehen wir eine Frau mit goldblonden Haaren, die unter einer Trockenhaube sitzt. Das Motiv erinnert an Werbeaufnahmen aus den 50er- bis 70er-Jahren. Meike Zopf bricht dieses bekannte Alltagsmotiv auf raffinierte Weise auf. Die Frau blickt auf die auseinandergespreizten Hände ihrer rechten Hand mit den lackierten Fingernägeln. Freude über die frisch erledigte Maniküre? Vielleicht. Viel bedeutsamer aber ist das Rotkehlchen, das vertrauensvoll auf ihrem Daumen sitzt und mit der Frau Blickkontakt hält. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass in unmittelbarer Nähe zwei weitere Rotkehlchen zugewandt auf Zweigen sitzen. Die Frau thront auf einem goldenen Sessel und trägt ein Gewand mit goldener Brosche, das sich wahlweise als Morgen- oder Zaubermantel interpretieren lässt.

Der Hintergrund löst sich in einer unbestimmbaren Tiefe aus Blau- und Grüntönen mit goldenen Blasen auf. Das auf den ersten Blick banale Alltagsmotiv eröffnet damit eine gleichzeitig lebendig sprudelnde Zauberwelt, in dem eine moderne Circe tief in die Einheit mit der Natur versunken ist. Die Trockenhaube wird so zum Symbol für eine Reise in eine andere Wirklichkeit.

Diese Vorgehensweise hat Anika Encke im aktuellen Katalog so auf den Punkt gebracht: „Den satten Zauber der Welt im Pinsel, führt Meike Zopf uns in eine Welt des großen Dazwischens, in eine Welt, wo das Offensichtliche neben dem Verborgenen, Unfassbaren stehen kann.“ Dabei kommen der freischaffenden Malerin, die in Berlin und Hannover Kunst studiert hat, auch ihre Erfahrungen aus der Kunsttherapie zugute. Die Verarbeitung von Traumata und die inneren Düsterwelten des Daseins sind ihr nicht unbekannt.

Meisterhaft bringt sie so die atmosphärische Ambivalenz von Gewitterwolken und psychologischer Spannung in dem Bild „Wetterleuchten“ zusammen. Über der scheinbaren Idylle einer eingezäunten Almhütte scheint geisterhaft die Figur einer jungen Frau auf, die eine geometrische Figur mit Flamme in der Hand hält und ins Gewitter blickt. Ob aus diesem Kampf der Elemente die Katastrophe oder kathartische Erlösung folgt, liegt im Auge des Betrachters.

Zopf verwendet häufig Fotovorlagen aus alten Zeitschriften, die sie mit Zeichentusche, Acryl oder Sprühfarbe umsetzt und mit Bleistift, Kohle oder Fineliner ausarbeitet. Ihre Arbeiten sind weltweit in privaten und öffentlichen Sammlungen zu sehen. Seit 2008 vertritt die Galerie Kaysser ihre Arbeiten. axel effner

Bis 3. August

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