Rosenheim – „Die Luft vibriert. Noch neun Tage, dann haben wir es geschafft“, verkündete Urban Priol zu Beginn seines fast dreistündigen Programms „Im Fluss – täglich quellfrisch“. Dem dankbaren Publikum präsentierte der quirlige Kabarettist im Kultur- und Kongress-Zentrum mit Blick auf die Bundestagswahl einen amüsanten, seelisch befreienden Zustandsbericht unseres Landes. Priol schlug dabei einen humoristischen Bogen vom Ende der Ampel bis hin zum Ausblick auf dieses Jahr.
Presslufthammer
gegen Brandmauer
„Ausgerechnet am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus hat Fritze Merz im Bundestag einen völlig überflüssigen Fünf-Punkte-Plan ohne Wert vorgelegt“, erklärte Priol. Zwei Stunden nach der Gedenkfeier habe er einen „Presslufthammer an der Brandmauer zur AfD angesetzt“, dann sei ein Hauen und Stechen losgegangen. Als Antwort habe die Taz mit dem Konterfei von Angela Merkel, der „Nemesis“ von Merz, die von seinem Vorgehen gar nicht begeistert war, treffend getitelt: „Omas gegen rechts“. Dazu Priol boshaft: „Seit 2002 weiß sie, dass Merz von der Politik ferngehalten werden muss.“ Ohne die Comic-Sprache aus Walt Disneys lustigen Taschenbüchern halte er es nicht aus: „Kotz“, „Würg“, „Spei“, und natürlich „Freu“ über das Ampel-Aus. Der 6. November werde von manchen ja schon als zusätzlicher Feiertag betrachtet. Priol spöttisch: „Die kürzeste Phase ist immer gelb.“ Jetzt gebe es mit Rot-Grün eben nur noch eine Fußgängerampel.
In fröhlichem Durcheinander sprang Priol wortgewandt von einem Thema zum anderen. Als Leitfaden hatte er ein Manuskript, in dem er sich auch mal verblätterte. Als im Saal kurz das Licht ausfiel, beirrte ihn das nicht. Häme musste die SPD mit ihrer Wahlsiegkonferenz ertragen, eine „Autosuggestion“. Ein Bündnis Olaf Scholz, BOS, klinge zu gewagt. FDP-Chef Lindner, der wie bei Orwell als „big brother is watching you“ in düsterem Schwarz-Weiß plakatiert ist, könne lediglich bei Big Brother eine Statistenrolle im Containerformat ausfüllen.
Die Sehnsucht des ängstlichen, veränderungsscheuen Bürgers nach früherer Führungsstärke ist groß. Perfekt parodierte Priol Ex-Kanzler Schröder mit seiner legendären Bemerkung zu Joschka Fischer: „Ich bin der Koch, du bist der Kellner. Das Trinkgeld gehört mir. Hä, hä.“
„Was sind wir für Weicheier geworden?“, fragte Priol mit Bezug auf übertriebene Wettermeldungen über Warn-Apps. Kaum sei eine Schneeflocke gefallen, schlage die „Eishexe Gertrud“ zu. Wenn heute der Schulbus zu spät komme, fielen die Eltern in Panik. Früher hätten sie auch nicht gefragt, warum ihre Kinder erst Stunden später vom katholischen Ministrantenunterricht zurückgekommen seien.
Bauernführer Hubsi Aiwanger bekam sein Fett genauso ab wie die empathische Alice Weidel, die Adolf Hitler im Gespräch mit Elon Musk („Great!, Really? Oh!“) als einen Kommunisten bezeichnet hat. Am besten, Weidel und Musk flögen im Tandem one way zum Mars, meinte Priol.
Merz und Söder, die sich mit einem Hersteller von Wärmepumpen ablichten ließen, seien zwar gegen das sauschlecht kommunizierte „Heizungsgesetz“, ein erfundenes Wort der Springer-Presse. Beide würden aber auch nur heiße Luft produzieren.
Vehement wandte sich Priol gegen Ressentiments gegenüber Zuwanderung. Als vor zehn Jahren ein psychisch kranker Pilot ein Flugzeug zum Absturz gebracht habe, seien, so der Kabarettist mit Blick auf die jüngsten Anschläge, auch nicht alle Piloten unter Generalverdacht gestellt worden.
Kenia, Jamaika
oder Deutschland?
Doch was kommt nun am Wahlsonntag heraus? Die Farben von Kenia, Jamaika, gar Deutschland? Vielleicht sei eine Zwei-Staatenlösung erforderlich mit einem antifaschistischen Schutzwall, „nur andersrum.“ Mutig wagte Priol einen Ausblick auf 2025. Erfolg könne vielleicht die „Niemand Partei“ haben, nach dem Motto „Niemand hilft uns“: „Doch egal, was auch kommt, machen wir das Beste draus“, so Priols Resümee, und: „Seien wir mit den kleinen Dingen zufrieden.“