Eintauchen in ein elektro-akustisches Universum

von Redaktion

Das Jazz-Trio „Mein einziger Freund“ zu Gast bei „Jazz am Roseneck“

Prien – „Mein einziger Freund“ – das sind Michael Jaeger (Tenorsaxofon, Altsaxofon, Klarinette), Vincent Membrez (Synthesizer) und Gerry Hemingway (Schlagzeug, Gesang). Das schweizerisch-amerikanische Trio spielte bei Jazz am Roseneck mit pulsierenden Klängen aus Jazz, Pop und Improvisation auf. Ein lebendiges Experiment, bei dem das Momentum zählte.

Das Trio wob einen Klangteppich, der das Publikum mit mal schrägen, mal schillernden, mal leisen, mal lauten Tönen auf eine Reise in ein elektro-akustisches Universum mitnahm. War es nun experimenteller oder avantgardistischer Jazz? Darüber ließe sich trefflich streiten. Auch der Titel „Zoomorphism“ der zuletzt erschienenen CD ließ Raum für Fantasie. Die Musiker klärten auch nicht auf, luden aber den Zuhörer dazu ein, sich der Musik hinzugeben, hinzuhören, hineinzuhören. Und subjektiv das wahrzunehmen, was man hören mochte.

Mutete der Einstieg eher nach Unterwasserwelt dank der Synthesizer-Klänge an, so wähnte man sich dank der Klarinetten-Klänge plötzlich in einem Vogelkäfig. Da meinte man, klassischer Orgelmusik in einer Kathedrale zu lauschen, dort klang es nach Jazz, da sah man sich auf einem orientalischen Basar. Und war da nicht deutlich Elektro-Pop der 1980er-Jahre vernehmbar? Während Vincent Membrez am Synthesizer wirbelte, lieferte Jaeger mit Alt- und Tenorsaxofon und Klarinette perlende Läufe, metallisch angehauchte Tonfragmente, da klopfte er auf die Klarinette, da hauchte er Töne in sein Saxofon. Und über, mit und zwischen all diesen Klängen wirkte Gerry Hemingway am Schlagzeug. Großartig, dass er nicht nur als Rhythmusgeber wirkte, sondern auch mit Holzblock, verschiedensten Schlägern und Besen, mit Metallstab und Kontrabassbogen, mit Fingern und geballter Faust Trommeln und Becken bearbeitete. Da bebte der Holzboden im vom Stadel zum Atelier umgebauten Salon.

Später trat noch ein viertes Instrument hinzu: Gerry Hemingway sang und produzierte Stimmen in seine Trommel über einen metallenen Schalltrichter, der eigentlich ein leerer Lampenschirm war. Gesänge, mal den „Circle Songs“ von Bobby McFerrin nicht unähnlich, mal an ein Didgeridoo erinnernd und mal wie ein Gebet.

Aber selbst nach einem wilden Aufbäumen und temperamentvollen Parforceritt kehrten die Musik und mit ihm also die Reisenden stets wieder in den vertrauten Hafen der Harmonien zurück. Mal mit zarten Akkorden von Kontrabassbogen an Becken und Klarinette im Duett, mal mit samtenem Synthesizerklang und jazzmäßigem Schlag aufs Becken. Das alles zusammen mag wild, verstörend, vielleicht sogar abschreckend klingen. Aber „Mein einziger Freund“ hatte als Reiseleiter die Route sorgfältig geplant. Und so wurde es wahrlich eine aufregende Klangreise in ein elektro-akustisches Universum voller Schönheit und Spannung.Elisabeth Kirchner

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