Rosenheim – Bei seinem letzten Auftritt in Rosenheim hatte das Jazztrio um Pianist Leo Betzl noch die Räume des Rosenheimer Kunstvereins zu dessen 120-jährigen Jubiläum mit treibendem Techno-Jazz in eine Dampfsauna verwandelt (wir berichteten). Diesmal waren Pianist Betzl, Bassist Maximilian Hirning und Schlagzeuger Sebastian Wolfsgruber in die Stadtbibliothek gekommen und zelebrierten, im „Regionalmodus“ begrüßt von Bibliotheksleiterin Susanne Delp, in der Reihe „Bayerische Literatouren“ ein feines Programm. Und zwar nicht durchgehend mit Techno, sondern feiner abgestuft und mit vielen klanglichen Kontrasten. Im Mittelpunkt des überzeugenden Aufritts stand das Album „Abstrakt“, von dem sie alle zehn Stücke spielten plus vier zusätzliche.
Das Trio startete mit dem komplex verwobenen Titel „Vom Hof“, mit minimalistischem Piano und langsam aufkommendem Bass. Dann ein Break mit urplötzlicher Schlagzeugeruption, im Up-Tempo ging es knackig-fröhlich weiter, und Max Hirning kommentierte sinngemäß „wir wollen quer durch die Bandbreite spielen und durch mehrere Stücke hintereinander in der Musik bleiben“. Mit diesem äußerst reizvollen Wechsel ausruhigeren und dynamischen Titeln warf die Band das begeisterte Publikum hin und her zwischen Ruhe und Power. Gerade durch diese Abstufung wirkten die energiegeladenen Passagen noch stärker. Auf Betzls komplexe, geheimnisvolle Komposition „Narrativ“ erfolgte wieder eine Temposteigerung, die in eine Improvisationsphase mündete. In die Pause ging es mit der „Stressballade“ und mit pulsierender Rhythmik. Zum Beginn des zweiten Sets gehörte die Aufmerksamkeit dem faszinierenden Schlagzeugspiel von Wolfsgruber – die hohe Kunst von Koordination von linker und rechter Hand und die Beinarbeit an den Fußtrommeln noch dazu – Riesenapplaus war ihm sicher in seiner lautmalerischen Komposition „Ants in the pants“. Süßliche Klänge gab es jedoch auch, die an Filmmusik erinnerten und für die Hirning seinen Bass gefühlvoll strich.
Mit einem Pianointro von Betzl, der ja gerne die Saiten mit einer Hand abdämpft und so nur kurz erklingen lässt, spielte sich das Trio noch stärker in seinen Flow und kredenzte mit dem witzigen Stück „Ist ja nur Geld“ ein weiteres Schmankerl. Nach orkanartigem Applausverabschiedete sich das Trio mit einem Stück, welches tatsächlich „Abschied“ heißt – ein hoch spannender Auftritt von drei melodischen Rhythmikern.Andreas Friedrich