Rosenheim – Karg sei das Angebot an Cello-Sonaten im Vergleich zur Klaviermusik, sagte der Cellist Wen-Sinn Yang in seiner Anfangsmoderation im Kultur- und Kongresszentrum. Aber aus dieser Kargheit hat er zusammen mit seinem Klavierpartner Dieter Lallinger das Üppigste gewählt, nämlich drei spätromantische Werke. Und üppig sind diese Werke in der Tat, üppig an musikalischen Gedanken, melodischen Einfällen und vielfältigen Seelenzuständen, vom jugendlichen Aufbrausen über romantisches Verströmen bis zu melancholischer Reflexion.
Klangvoll und klangsinnlich begann’s schon mit der F-Dur-Sonate von Richard Strauss, dem Yang bescheinigte, ein musikalisches Wunderkind gewesen zu sein, weil er diese Sonate mit 16 Jahren gleichsam unter der Schulbank komponiert hatte. Gespielt wurde allerdings die spätere zweite, reifere Fassung. Den jugendlich-stolzen Aufschwung, gepaart mit brausenden Akkordstürme an Klavier, boten die beiden Solisten mit soviel Verve und Glanz, dass nach dem Kopfsatz schon stürmischer Applaus einsetzte. Das hier herrschende jugendliche Ungestüm veredelten die Beiden mit Geschmack und mit dem Auskosten der rhythmischen Raffinessen und dynamischen Nuancen, beließen dem Fugato den Ernst, mit dem der junge Strauss sein kontrapunktisches Können zeigen wollte, und betonten den rhetorischen Gestus dieser Musik: Diese Musik will viel sagen und hat viel zu sagen. Im letzten Satz hörte man schon den Humor des 14 Jahre später entstandenen „Till Eulenspiegel“ voraus.
„Wenn Hindemith auf dem Programm steht, riskiert man, dass die Hälfte des Publikums zuhause bleibt“, meinte Yang schelmisch, als er Paul Hindemiths Fantasiestück op. 8 Nr. 2 in H-Dur vorstellte und dann warnte: Die vereinzelt schrägen Töne seien gewollt! Doch Hindemith zeigt sich hier noch spätestromantisch, die Musik versinkt aber nicht in dieser Spätromantik, sondern wühlt sie energisch auf, lässt sie hochgischten und aufbranden. Agil und wendig zeichneten Lallinger und Yang die schnell wechselnden Seelenzustände nach, von höchster Erregtheit bis in die zitternd-trillernde Schluss-Erschöpfung, so energisch, dass sich immer wieder Haare vom Cellobogen lösten.
Vier Sätze gar hat die Sonate in g-Moll von Sergei Rachmaninoff, die er komponierte, nachdem er durch eine erfolgreiche Therapie von seiner Depression erlöst war, die er nach dem Misserfolg seiner 1. Symphonie erlitten hatte. Wie im Schöpfer-Rausch muss er diese Sonate komponiert haben, so rauschvoll-bebend klingt sie. „Diese Sonate ist episch – machen Sie sich’s bequem!“, meinte Yang dazu. Bequem machten sich’s die beiden Solisten aber nicht, sie spielten alles glutvoll und geradezu berstend vor Mitteilungsdrang, spürten den feinsten Seelenregungen geradezu seismografisch nach, ob der Schwermut im Kopfsatz, der Düsternis und dann doch aufblühenden melodischen Wehmut im Scherzo und vor allem dem überschwänglichen Emotions-Trubel im Finalsatz.
Rachmaninoff, einer der größten Klaviervirtuosen seiner Zeit, hat den Klavierpart glanzvoll ausgestaltet. Dieter Lallinger hatte da alle Hände voll zu tun mit den üppig wogenden Klavierharmonien und der perkussiven Akkordik, spielte dies alles untadelig, hätte sich aber durchaus mehr in den Vordergrund spielen dürfen.
Für den herzlichen Beifall des aufmerksamen Publikums, das den halben Saal Rosenheim füllte, bedankte sich das Duo mit dem feingespielten Brahms-Lied „Feldeinsamkeit“, das alle musikalische Üppigkeit wiedereindämmte. .RAINER W. JANKA