Bad Aibling – Vor 300 Jahren, am 22. November 1725, ist in Altmannstein der Bildhauer Ignaz Günther geboren, der im Rosenheimer Raum zahlreiche Kunstwerke geschaffen hat. Den Startschuss für die Feierlichkeiten zum Ignaz-Günther-Jahr gab nun ein Konzert im Rahmen der Konzertreihe „Klassik! Bad Aibling“ im Kurhaus. Die Accademia di Monaco spielte Werke, die man in Verbindung mit den Aufenthalten von Ignaz Günther in Beziehung setzen konnte. Dazu sprach der Ignaz-Günther-Experte Dr. Björn Statnik von der Universität Bamberg verbindende und erklärende Worte.
Er wird im November zwei Vorträge in Wasserburg und in Rott halten. Sein kiloschweres und üppig mit Fotos ausgestattetes Buch über Ignaz Günther war beim Konzert zu kaufen. In diesem Buch beweist Statnik, dass Ignaz Günther kein nur bayerisch-lokaler, sondern europäisch bedeutsamer Künstler ist.
Eigentlich ein schönes Konzept – das aber nur halb gelang. Einmal mussten sich die Konzertbesucher das Foyer mit den Besuchern eines Konzertes des Sinfonischen Blasorchesters „Klangfabrik“ im großen Kursaal teilen. Zum anderen verpufften die doch gewichtigen Worte von Dr. Statnik, weil er sie vor dem Konzert im Ankunfts- und Platzsuchgewühl der Konzertbesucher sprach. Sie wären als Bindeglied während des Konzerts zwischen den Programmstücken geeigneter gewesen.
Und drittens war die Musik, die als Huldigung für Ignaz Günther gedacht war, nicht huldigungswürdig. Die Programmauswahl schien nur notdürftig auf Ignaz Günther bezogen zu sein: Der kam 1749 nach Salzburg, Mozart wurde erst 1756 geboren: Warum also Musik von Mozart? Und wenn, warum nichts Besseres als eine kleine Kirchensonate? Auch die Sinfonia von Johann Wenzel Stamitz (1717 bis 1757), die für Mannheim stand, wo Ignaz Günther seine Gesellenzeit verbracht hat, war in ihrer Beliebigkeit kein gutes Beispiel für die berühmte „Mannheimer Schule“. Baldassare Galuppi (1706 bis 1785) war ein venezianischer Komponist, der keine Berührungspunkte mit Günther hatte, auch wenn sein „Salve Regina“ virtuos komponiert ist. Und auch die abschließende Ouvertüre von Johann Joseph Fux (1660 bis 1741), der schon tot war, als Günther nach Wien kam, klang belanglos. Wenigstens überzeugte als gewichtiger Programmpunkt die Kantate „Il Pianto di Maria“, also das Weinen der Maria, von Giovanni Battista Ferrandini (1710 bis 1791), der etliche Jahre in München gewirkt hatte, wo ja Ignaz Günther lebte und arbeitete.
Im liebevoll gestalteten Programmheft steht, dass die Accademia di Monaco „an der Schnittstelle zwischen Ausbildung und Beruf“ steht. Das meiste hörte sich aber eher nach Ausbildung als nach Beruf an. So eifrig die jungen Musiker auch unter der Leitung von Joachim Tschiedel, der selber an der Truhenorgel saß, agierten: Viele Geigen-Passagen hörten sich zaghaft an, die Geiger spielten sie nicht formdeutend aus, insgesamt mangelte es an einer orchestralen Klangbalance, die Bassgruppe dominierte zu kräftig.
Die ungarische Sängerin Réka Kristóf schien mit ihrem volltönend-durchdringenden Sopran schier den Saal zu sprengen: Für die Kantaten war ihre Stimme zu opernhaft groß. In die hochdramatischen Rezitative der Ferrandini-Kantate stürzte sie sich mit flammender Rage. Manchmal wusste man nicht, ob es ihr Vibrato oder ob es Koloraturen waren, die man hörte. Am schönsten klang ihre Stimme, wenn sie sie schlicht strömen ließ.
Immerhin konnte man sich an der kompositorischen Bravour und der Analogie zu den Marien-Darstellungen von Ignaz Günther erfreuen: Galuppis „Salve Regina“ drückt eher die Gesamtstimmung des Marien-Hymnus‘ aus als es Einzelworte auskomponiert, aber dafür war das Tal der Tränen („in hac lacrimarum valle“) überreich angefüllt mit tränenreichen Koloraturen.
Die Kantate von Ferrandini ist mit ihrem Wechsel von Lamento, Rezitativ und Arie beinahe schreiend-qualvoll gehalten, voller schmerzreicher Chromatik (die die Geigen noch intensiver hätten gestalten müssen) und hörbarer Geißelhiebe für Christus (die von der Laute deutlicher kamen als von den Geigen). Die Zuhörer im nicht vollen Konzertsaal spendeten vielmaligen Zwischenbeifall und erzwangen am Ende noch eine Sängerinnen-Zugabe.
RAINER W. JANKA