Rimsting – Ein Mann steht auf der Bühne und spricht über den Mann, der auf der Bühne steht. Andreas von Studnitz ist der Mann im Smoking als Kostüm, ist der Schauspieler, der über sich als einen Schauspieler spricht, der Sätze sagt, die nicht von ihm sind: Sinnbild unseres Lebens. „Wir spielen alle. Wer es weiß, ist klug“, sagt Paracelsus im gleichnamigen Bühnenstück von Arthur Schnitzler. Hier heißt das Stück „Event“ und ist von John Clancy. Rappelvoll ist „die Werkstatt“ in Rimsting, die vom Verein „Bühnenkunstförderer“ betrieben wird. Und alle hören gebannt und gespannt dem namenlosen Mann zu, der da spricht, der darüber spricht, dass er hier spricht, der „Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein!“ singt, der einen Witz erzählt, über beginnende Demenz plaudert, Redensarten und Körpersprache analysiert, den Telefonterror beklagt und über die Ungerechtigkeit in der Welt räsoniert. Es ist ein zielloses Geplauder, aber kein sinnloses. Eigentlich passiert nichts, gar nichts: ein Event, das keines ist. Eigentlich ein Nichts. Aber ein Nichts, das spricht.
Der Mann redet, lächelt, lästert, plaudert, schreit ein paarmal auf, liefert sich einen Dialog mit der Beleuchterin, hat auch mal einen Hänger – der natürlich auch im Text steht. Wir, das Publikum, werden von ihm als „die Fremden“ apostrophiert – die nichts machen können und dürfen, weil wir keinen Text haben. Immer tiefsinniger, immer philosophischer werden die Reden des Mannes, immer gründlicher die Suche nach Wirklichkeit und Schein, nach Wahrheit der Wirklichkeit: Ist der Mensch Andreas von Studnitz die Wirklichkeit oder die Figur, die er spielt oder gar der Autor, der ihm seinen Text geschrieben hat?
„Es tut gut, nicht in allem einen Sinn suchen zu müssen“, sagt der Mann. Und: „Wir wissen nicht, für wen wir spielen. Wer da draußen sitzt und diesen riskanten Ratespielen zuschaut“. Sitzt überhaupt einer „da draußen“? Hat unser Leben einen Autor oder Regisseur? Und damit einen Sinn? Anscheinend doch: „Es gibt Momente, Augenblicke, die sich vielleicht nur einem Zauber der Gemeinschaftlichkeit verdanken (…) Augenblicke von Klarheit und Ruhe mitten im Chaos, und man spürt eine Energie gleich der Kraft, mit der das Meer die Züge des Schwimmers trägt, Verbundenheit mit Fremden, mit Menschen, die man nicht kennt, Augenblicke von Sinngebung. Wie ein Knoten, der sich von selbst löst.“
Diese „Augenblicke der Sinngebung“ kreierte Andreas von Studnitz mit seiner Schauspielkunst, die ihn völlig in die Figur verwandelte, die er spielte, mühelos, ohne mimisches Schwitzen, ohne schauspielerischen Kraftaufwand, nur durch seine reine Darstellungskraft. „Das war sein Job. Er hofft, er hat ihn gut gemacht“, sagt Andreas von Studnitz, sagt der Schauspieler, sagt der Mann: Keine Angst, Mann, du hast es gut gemacht! Der heftig aufbrandende Beifall und die anerkennenden Worte der Zuschauer beim Rausgehen bestätigten es. RAINER W. JANKA