Rosenheim – „Frisch gewagt. ist halb gewonnen“, heißt ein munterer Spruch. Man kann dabei aber auch mindestens halb scheitern: Nicht selten wird ein Veranstalter mit ungewohnt-innovativem Programm vom Publikum im Regen stehen gelassen. Die Matinée des Tonkünstlerverbands im Künstlerhof jedoch füllte den Hans-Fischer-Saal, obwohl ausschließlich das seltene Gespann Horn und Harfe sich für den Musikgenuss empfahl.
Schon mit dem Einspielstück „Der Schwan“ aus „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns zogen Johann Niedermaier (Harfe) und Sebastian Krause (Horn) die Zuhörer in ihren Bann. Der Schwan hatte in diesem Arrangement die Cello-Geschmeidigkeit eingetauscht gegen die füllige, goldglänzende Majestät des Waldhorns. Ein Schwan, der schon einmal dem hehren Lohengrin zu Diensten war?
Nun ging’s Schlag auf Schlag, das Publikum fing deutlich Feuer, der einschmeichelnde Hörnerklang und das silberglitzernde Rauschen und Zirpen der Harfe elektrisierten die Hörer. Zusätzlich förderte die serenadenhafte Leichtigkeit des Programms die entspannte und zugleich aufmerksame Stimmung im Saal.
Ein besonderer Reiz: Das Nocturne Nr.2 des im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts aktiven Frédéric Duvernoy interpretierte Sebastian Krause ganz originalgetreu auf dem Naturhorn. Da hier noch keine chromatischen Töne durch Ventile möglich waren, musste sich der Hornist mit Tricks behelfen, die aber die Klangfarbe veränderten. Dies wurde von Sebastian Krause schmunzelnd vorgeführt, sodass das Publikum vorgewarnt war, als sich plötzlich quäkende Töne unter die sonoren Klänge mischten.
Duvernoy war selbst Harfenist, er kannte dieses Instrument aus dem Effeff, und hat durchaus anmutig-ansprechende Musik geschrieben ohne virtuosen Leerlauf. Johann Niedermaier hatte alle Finger voll zu tun, um dem Duopartner als eigenständiger Begleiter auf der Spur zu bleiben.
Bestand die Gefahr der Eintönigkeit, da sich gerade „Luxusinstrumente“ in ihrer Wirkung abnutzen können? Dieser Möglichkeit steuerten die erfahrenen Musiker durch ein abwechslungsreiches Programm entgegen. „Spiegel im Spiegel“ von Arvo Pärt ist einerseits extrem „simpel“, andererseits baut der Komponist raffiniert einige Irritationen ein, sodass der Hörer pure Magie zu erleben vermeint.
Der 1941 geborene Bernard Andrés hatte mit „Chants D‘ Arriere-Saison“ eine siebensätzige Suite komponiert, die in unterhaltsamer Manier die unterschiedlichsten Klangmuster und ebenso aufregende Interaktionen der beiden Instrumente zelebrierte. Das Zusammenspiel von Horn und Harfe war hier in besonderem Maße gefragt. Ein spannender musikalischer Wettkampf!
Konnte der noch getoppt werden? Nur durch das Instrument, das schon seit Beginn dekorativ das Podium zierte, das Alphorn! Ein melodiöses, die Möglichkeiten des sperrigen Instruments klug nutzendes „Nocturno“ von Steffen Burkhardt (Jahrgang 1975) beendete die Matinée, wenn nicht… ja, wenn nicht das Publikum sich eine Zugabe erklatscht hätte! Diese Zugabe rundete das Programm tatsächlich ab: Der brasilianische Komponist Heitor Villa-Lobos widmete einem sterbenden schwarzen Schwan ein ebenso ergreifendes wie tiefgründiges Werk.
Die Saison der Matinéen im Künstlerhof hat wieder einmal bestätigt: Aller guten Dinge sind drei. Man darf also auf das nächste Jahr gespannt sein!Walther Prokop