Für Vielfalt und Kreativität

von Redaktion

Rosenheimer Kunstverein setzt mit Jahresausstellung Zeichen gegen Autoritarismus

Rosenheim – „Der Kunstverein Rosenheim bekennt sich zur Demokratie, Vielfalt und Toleranz“, so formuliert es das Vorstandstrio des Vereins im Vorwort des Katalogs zur „Kunst aktuell“, der gerade eröffneten Jahresausstellung in der Städtischen Galerie. Die Vorsitzende Dr. Olena Balun, Bernhard Paul und Christian Heß wenden sich in ihrem Text gegen autoritäre Bestrebungen von rechts, welche die Vielfalt einer florierenden Kunstlandschaft einschränken und kanalisieren wollen. „Sie wird dort explizit als Feindbild bezeichnet“, so der Vereinsvorstand, der auf Unterdrückung und Strafen für Kunstschaffende und Intellektuelle in autoritären Staaten hinweist.

Kreatives Statement gegen rechts

Dr. Olena Balun ergänzte in ihrer Rede: „Und deshalb ist gerade jetzt die Zeit, wo wir alle Integrität praktizieren sollten. Alle.“ Somit ist die neue Ausstellung in der Stadtgalerie ein kreatives Statement gegen rechts, denn die Vielfalt der Stile, Kunstformen und Techniken an sich ist ein besuchbares und begehbares Dokument von Freiheit und Demokratie.

78 Künstler
vertreten

Transparent ist auch der Auswahlprozess. Eine fünfköpfige ehrenamtliche Jury, diesmal bestehend aus Jakob Gilg, Regina Marmaglio, Peter Pohl, Melanie Siegel und Gerhard Prokop, dem derzeitigen Kulturpreisträger der Stadt, hat unter einer Vielzahl von regionalen und überregionalen Einsendungen ausgewählt und die Werke platziert. Das Ergebnis spiegelt nicht nur hochkarätiges lokales und regionales Kunstschaffen wider, es wird zusätzlich ergänzt und belebt durch Werke von Künstlern aus Würzburg, Berlin, Karlsruhe und Köln. „Viele kommen auch aus anderen Herkunftsländern“, so Dr. Balun in ihrer Einführungsrede. Insgesamt sind 78 Kunstschaffende vertreten.

In der Malerei finden sich sowohl Figürliches wie auch Abstraktes. Gleich im Eingangsraum fällt ein Großformat in Acryl von Josef Köstlbacher auf, betitelt mit „Strange Weather“. Brigitte Stenzel scheint mit „Einverleibt und aufgeleibt“ eine abstruse Geschichte zu erzählen – welche Rolle spielt der Hammer im Bild? Jakob Gilg stellt in „Millenials“ eine riesige, skurrile Figur dar (Pigment und Acrylbinder, 250 mal 200 Zentimeter). Typisch für Peter Pohl und Bernhard Paul sind Insekten („Fanfare der Nacht“, Ölkreide) beziehungsweise eine fein abgestufte abstrakte Farbkomposition („Prelude 20“, Öl). Elisabeth Mehrl malte unglaublich plastisch erscheinende Perlenketten („Wie Sterne zählen“, Acryl und Öl), Fried Stammberger komponierte abstrakte Flächen („Mit schwarzer Linie“, Öl). „Come on babe“ könnte gemalt sein, ist aber eine Fotografie von Geraldine Frisch, mit bemerkenswertem Schattenwurf in Großstadtarchitektur.

Umgekehrt könnte Gerhard Prokops großes Querformat vom Mafia-Gefängnis ein Foto sein, ist aber ein „hyperrealistisch“ mit besonderer Technik gestaltetes Gemälde. Catrin Wechler aus Berlin steuerte zwei knallig kontrastierende Pflanzenfotos bei und Martin Weiand, der maßgeblich den Ausstellungskatalog erstellte, fotografierte die Hamburger Elbphilharmonie in der Abendsonne, hochästhetisch und hinreißend.

Die Skulpturen sind vermutlich die Kunstform in der Ausstellung mit dem höchsten Grad an Skurrilität. Wie die Keramik „Big Dreamer“ von Elisabeth Kilala Stumpf oder das alptraumhafte „Auf der Jagd“ von Josef Hamberger, doch auch streng Geometrisches ist vertreten. Manche Plastiken wie die poetischen Fische von Christian Heß bilden clevere Blickachsen zu Bildern und laden ein zum Wechsel des eigenen Standorts bei der Begehung. Dabei kann auch ein Malheur passieren und ein Riesenstapel Aktenordner einstürzen, zum Glück hält ihn die Wand auf (Uli Schmid, „Herkunft“).

Düstere Visionen zeichnen mehrere Bildschirme, die teils begleitet von Klängen auf Gesellschaftliches anspielen wie ein Videocomic von Wolfgang Diller oder rätselhaft wirken wie die Filme von Abou-Chamat und Herbert Nauderer.

Zeichnungen und feine Details an weiteren Werken bereichern die Ausstellung, sodass zwar optisch Knallendes hervorsticht, der meist zweite Blick aber auch auf Filigranes fallen kann, wie auf die aus Draht entstandenen „Jellyflowers“ von Rudolf Finisterre oder die Papierstreifen von Christine Ott.

„Grüner Faden“ zieht sich durch die Räume

Nach dem ersten Rundgang bestätigt sich der Verdacht – war es Absicht oder Zufall? Tatsächlich ist in jedem Raum ein Kunstwerk mit Bezug zu „Wald“ oder „Baum“ vertreten. Martl Fitzsche beginnt diesen „grünen Faden“ mit seiner Plastik „Baum der Erkenntnis“. Pavlina Rozsypalkova lässt in ihrer Skulptur „Foresting“ einen Baum aus einem Rücken wachsen. Melanie Siegel hat ein Kuppelzelt im Wald meisterlich mit passendem Lichteinfall gemalt und in einem der Preisträger-Bilder lässt sich mit etwas Fantasie ein Waldelefant erkennen.

Trump mit Pinocchio-Nase

Manche Werke sind direkt politisch geprägt, wobei Kunst im öffentlichen Raum ja generell gesellschaftlich wirkt. Silke Bachmann hat autoritäre Herrscher porträtiert: Trump mit Pinocchio-Nase, Putin reitet auf einem Einhorn. In einer Kombination aus Typografie und Holzskulptur setzt sich Lucia Dellefant im letzten Raum mit Alltagsbegriffen („Cooking“, „Eating“) und dem „Parliament“ auseinander. Im vermeintlich rein abstrakten Bild „Rügen“ von Renate Selmayr dominiert zwar die Farbe Grün, doch scheinen auch hier die Brauntöne vorzudringen.

Dem Rosenheimer Kunstverein ist mit „Kunst aktuell“ eine spannende und anregende Ausstellung gelungen – jeder Ausstellungsgast wird angesichts der Fülle und Vielfalt der ausgestellten Werke seine eigenen Wahrnehmungen treffen.

Bis 22. Juni

Artikel 3 von 9