Rosenheim – Mit einer überaus gut besuchten Vernissage startete die Themenausstellung „Über:Brücken“ der Neuen Künstlerkolonie Brannenburg im Rosenheimer Inn-Museum mit musikalischer Untermalung durch die Schifferl und Jam Band. Einen passenderen Termin als den ersten Tag im Amt des neu gewählten Pontifex (zu Deutsch: Brückenbauer) Leo XIV. und einen geeigneteren Ort als den historischen und denkmalgeschützten „Bruckbaustadel“ hätte man kaum finden können.
Die Kulturwissenschaftlerin Anna Hofberger-Gottenöf vom Inn-Museum/Wasserwirtschaftsamt und Dr. Dr. Georg Werner, Vorsitzender der Neuen Künstlerkolonie, führten unterhaltsam in die Thematik ein.
Die Begeisterung für das menschheitsbegleitende Objekt der Brücke wurde Dr. Dr. Werner durch seinen Vater, Professor für Bauingenieurwesen, in die Wiege gelegt – kein Familienausflug ohne Brückenbesichtigung.
Je länger man darüber nachdenkt, desto evidenter erscheint die Tatsache, dass Brücken – im konkreten wie im übertragenen Sinne – ein unerlässlicher Begleiter der menschlichen Zivilisation sind. Was wir als selbstverständlich erachten, musste von den Generationen vor unserer Zeit mühe- und oft gefahrvoll erbaut werden – erst, wenn marode gewordene Brücken gesperrt oder erneuert werden müssen oder gar in sich zusammenbrechen, beginnen wir nachzufühlen, wie segensreich diese Bauwerke für unser tägliches Leben und Fortbewegung sind.
Dabei verbinden Brücken nicht nur Orte oder gar Länder – häufig orientieren sich auch politische Grenzen an ihrem Verlauf. Die Überwindung des natürlichen Hindernisses „Fluss“ stellte historisch eine große Herausforderung dar, die mit Furten, Fähren oder eben Brückenbau gemeistert wurde. So entstand auch das heutige Rosenheim im 13. Jahrhundert aus einer Ansiedelung von Schiffsleuten an der Innbrücke. Die schier unermessliche Bedeutung der Brücke für die menschliche Gemeinschaft macht sie im Kriegsfall, wie auch leider aktuell in der Ukraine zu beobachten, zu den ersten Objekten eines Angriffs sowie zu den letzten Leidtragenden beim Rückzug.
Auch im übertragenen Sinne, wie zum Beispiel dem Überbrücken von gesellschaftlichen, kulturellen oder religiösen Unterschieden oder Überbrückungsstrategien von lästigen Wartezeiten oder finanziellen Engpässen, kommt der verbindende Charakter dieser Bauwerke zum Ausdruck. Und genau diese mannigfaltige, allgegenwärtige Bedeutung der Brücke, im konkreten wie im übertragenen Sinne, haben die 34 ausstellenden Künstler der Neuen Künstlerkolonie Brannenburg in ihren 82 Kunstwerken eingefangen.
Für die Besucher ist es äußerst spannend zu beobachten, wie viele völlig verschiedene Herangehensweisen an eine vorgegebene Thematik den Ausstellungsstücken zugrunde liegen und wie vielfältig und kreativ diese in den unterschiedlichsten künstlerischen Ausdrucksweisen umgesetzt werden – in Malerei, Collage, Textil-Kunst, Fotografie und Skulptur.
So ermuntert eine gigantische Kette aus Metall zum „Zam(g)hoidn“, erscheint der längst verschwundene Rosenheimer Kleppersteg in alten Fotografien. Eine Collage mahnt die Vergänglichkeit menschlicher Bauwerke anlässlich des katastrophalen Zusammenbruchs des Ponte Morandi in Genua 2018 an oder ironisch-kritische Acryl-Gemälde die Auswirkungen des Mottos „Über:Brücken“ im übertragenen Sinn. Die Kunstwerke gehen eine fruchtbare Symbiose mit den Räumlichkeiten und Ausstellungsstücken des Inn-Museums ein, die vom harten und oft gefährlichen Leben der Schiffsleute auf dem Inn berichten.
Und auch auf die Mitglieder der Neuen Künstlerkolonie Brannenburg trifft das Motto zu: Längst stammen ihre Mitglieder nicht mehr nur aus Brannenburg und der näheren Umgebung, sondern auch aus Rosenheim und der Region. Die Ausstellung „Über:Brücken“ aus aller Welt sowie aus dem unmittelbaren Rosenheimer Raum ist noch bis 8. Juni, jeweils Samstag und Sonntag von 10 bis 16 geöffnet – am morgigen Sonntag (Museumstag) ist der Eintritt frei.Claudia Pfurtscheller