Rohrdorf – Wenn es nach dem letzten Ton rund 800 Menschen nicht mehr auf ihren Stühlen hält, wenn sie aufspringen und jubeln – dann muss ein Konzert wirklich gut gewesen sein. Die Aufführung von Carmina Burana hat den Rohrdorfer Liederkranz auf der Spitze seines Könnens gezeigt. War das Mozart Requiem im vergangenen Jahr schon ein großes Erlebnis, so wurde dieser Erfolg sogar noch übertroffen.
Dabei sind die Carmina – diese in Latein und Mittelhochdeutsch verfasste Liedersammlung – ein sehr anspruchsvolles Werk für einen Chor. Es lebt auch von seiner Rhythmik und baut auf präzise Akzentuierung. „Wenn man da nicht wirklich sehr deutlich singt, wenn man Silben verschleift, dann ist die Gefahr groß, dass alles zu einem großen Wortbrei gerät, der vielleicht noch Klang, aber keine wirkliche Wirkung mehr erzielt“, erzählt Simone Grick, ein Mitglied des Chores.
Dabei hatten Chor und Orchester nur eine einzige gemeinsame Probe, um sich auf das Zusammenspiel einzustellen. „Das ist mehr Wagnis, als man vielleicht annehmen möchte“, war aus den Reihen des Chores zu hören, „denn so ein Chor- und Orchesterwerk besteht eben nicht nur aus zwei Teilen, von denen jedes für sich singen und spielen kann. Es muss verzahnt sein, ineinander auf- und übergehen, damit tatsächlich ein geschlossener Klangkörper entsteht.“ In Rohrdorf gelang das, als hätten Chor und Orchester schon immer zusammen gespielt und von Anfang an gemeinsam geprobt.
Zumindest teilweise ist da ja auch etwas dran, denn ein Großteil des Orchesters ist „Rohrdorfer Eigenbau“, aus der eigenen Blasmusik erwachsen und damit immer wieder an Aufführungen des Liederkranzes beteiligt. Der Leistung, zu einer dichten Einheit zusammenzufinden, tut das aber keinerlei Abbruch. Auch die beteiligten Kinder und Jugendlichen – die Apostelkids und Apostelsingers der Evangelischen Kirchengemeinde in Rosenheim – fügten sich nahtlos ein.
Noch einen Beleg gibt es, dass er Liederkranz unter der Leitung von Felix Spreng mittlerweile ein absoluter Top-Chor ist: Die 80 Sänger standen in ihren Auftritt den Gesangspartien der Solisten – alles namhafte Profis – keinen Moment lang nach. Und Theresa Boning (Sopran), Markus Herzog (Tenor) und Ansgar Theis (Bariton) hatten wirklich Bewundernswertes geboten. Herausgehoben sei von ihnen als Beispiel Theresa Boning: Sie behielt auch in den ganz hohen Tönen ihres Parts eine bewundernswert weiche und schöne Stimme. „Es war, als hätte da ein Engel gesungen“, war hinterher aus den Reihen des Publikums zu hören.
Beigetragen zum großen Erfolg hat sicherlich auch der „Konzertsaal“, die große Packhalle des Rohrdorfer Zementwerkes. Denn dieses besondere Ambiente setzte in seiner nüchternen Atmosphäre der Arbeit einen modernen und gelungenen Kontrapunkt zu den lateinischen und althochdeutschen Texten.
Das Konzert war für alle ein rundum besonderes Erlebnis – auch für Chor und Orchester selbst: „Wenn ein Publikum so begeistert ist, wie es sich an diesem Abend zeigte, dann sind das Momente, die man nicht mehr vergessen kann“, meinte Dirigent und Chorleiter Felix Spreng.
Bleibt nur die Frage, wie der Liederkranz an den riesigen Erfolg nun anknüpfen wird – denn solch eine Spitzenleistung wird schnell zu einem Maßstab. Felix Spreng ist zuversichtlich, auch wenn er Näheres noch nicht verrät. Er lächelt stattdessen verschmitzt: „Uns wird schon etwas einfallen.“ Johannes Thomae