Vom Kriegsende zum Wirtschaftswunder

von Redaktion

Maximilian Hager erzählt aus seiner Jugendzeit in der Rosenheimer Färber- und Innstraße

Rosenheim – „Wie war’s doch gleich?“ – so heißt das Büchlein von Maximilian Hager, Jahrgang 1939, das im Dezember anlässlich einer Lesung des Autors in Alfons Röckls „Kleiner Werkraumgalerie“ bekannt gemacht wurde. Da die kleine Auflage in Röckls „Rosinante-Verlag“ damals schon fast vergriffen war, wurde eine Besprechung bis zum Erscheinen der zweiten Auflage verschoben. Nun ist das um 20 Seiten erweiterte Werk wieder erhältlich. Es bildet eine überaus vergnügliche Lektüre, in welcher der Leser in den Rosenheimer Alltag der Nachkriegszeit eintauchen kann. Es erscheinen zahlreiche Zeitgenossen, deren Namen noch heute im Bewusstsein auch der nachfolgenden Generation der „Babyboomer“ lebendig sind.

Zeichnungen von Hagers Vater Franz und zeitgenössische Fotos – natürlich schwarz-weiß – bereichern das handliche Werk. Hager versteht es, mit seiner verschmitzten, teils ironischen Schreibe den Leser mittels einer zeitkritischen lokalen Lupe in die Atmosphäre der 1950er- bis Anfang der 1960er-Jahre hineinzuziehen – eine ähnlich authentische Darstellung ist wohl bisher nicht erschienen.

Von 1946 bis in die „wilden 60er-Jahre“ lebte der mit seiner Familie aus München geflüchtete Maximilian Hager in der Rosenheimer Altstadt Ost. Im Herbst 1946 zog die Familie „in eine kümmerliche Wohnung in der Färberstraße“. Sein Vater, der bis Kriegsende in München bei Maffei gearbeitet hatte, ging zu den Stadtwerken als Schlosser. Als herauskam, dass er gut zeichnen konnte, bekam er eine Stelle im Zeichenbüro. Hagers Buch zeigt etliche seiner Zeichnungen, Porträts auch von damaligen Rosenheimer Originalen.

Eines Tages erschien eine Frau Bielmeier bei den Hagers und bot eine Zwei-Zimmer-Wohnung in ihrem Haus in der Innstraße an. „In der einen Haushälfte war das Ladengeschäft der Metzgerei Dietl, in der anderen das Gasthaus ,Zum Schwarzen Rössl‘“, erinnert sich der Autor. Das Haus habe über einen Komfort verfügt, der „keinerlei Vereinfachung vertragen hätte“, merkt Hager an. Der Bub erlebt den Nikolaus und das Weihnachtsfest; erste Streiche folgen. Die kopfsteingepflasterte Innstraße verfügt über drei Metzgereien, etliche weitere Geschäfte, eine Schnupftabak- und eine Fahrzeugproduktion – hier entstand der „Fend-Flitzer“, aus dem später der Messerschmitt-Kabinenroller wurde. Der Hof der Metzgerei Dietl und des „Schwarzen Rössl“ war auch Spielstätte, und der Metzger-Stift – so hießen früher die Azubis – Peter Anderl (später Gastronom und Zitherspieler der Inntaler Sänger, kürzlich 80 Jahre alt geworden) langte aus der Wurstküche schon mal frische „Weiße“ heraus. Zu Hagers Klassenkameraden in der Königschule gehörten unter anderen „Ritsch“ Horner und der später tödlich verunglückte Rennfahrer Franz Abraham.

Die Buben aus der Färber- und Innstraße veranstalteten ihre Bandenkriege gerne in der verbindenden Hofmannstraße, bewaffnet mit Helmen aus Zeitungspapier und Bruchlatten. Später wurde Hager nach einigen Umwegen Lehrling in der Druckerei Plötz hinter den „Kammerlichtspielen“. Zudem war er bei der Feuerwehr. In den „wilden 60ern“ etablierte sich das Tanzcafé „Papagei“. Einmal jährlich traf sich Hagers Freundeskreis in der „Historischen Weinlände“ bei Hans Bößl, fotografisch dokumentiert mit Gunter Foldenauer, Rolf Herbinger, Simmerl Mayerhofer, Fred Hofstetter, Wendelin Hotter, Rudi Mayerhofer und Helmut „Nore“ Niedermeier. Beruflich hatte es den Autor nach Lausanne, Hamburg und München gezogen.

Wer sich diesen sehr persönlichen, aber auch allgemeingültigen Einblick in die „Rosenheimer Szene“ dieser Zeit gönnen möchte, kann das Büchlein bei Alfons Röckl in seiner „Kleinen Werkraumgalerie“ in der Heilig-Geist-Straße 4/I über Feinkost Winkler für 15 Euro erwerben. Sie ist mit ihrer aktuellen Ausstellung noch heute, Samstag, von 16 bis 19 Uhr geöffnet; außerdem ist es nebenan in der Buchhandlung Beer erhältlich. Hendrik Heuser

Artikel 9 von 9