Rosenheim – Immer wieder tauchen in den Medien Berichte auf, die den zahlenmäßigen Anstieg der Wolfspopulation in unserer Region – und nicht nur dort – zum Thema haben und die Probleme ansprechen, die sich daraus ergeben. Dabei handelt es sich vor allem um zumeist tödliche Angriffe von Wölfen auf landwirtschaftliche Nutz- und Haustiere. Somit flammen Diskussionen zwischen Tierschützern einerseits und Landwirten andererseits auf.
Der Wolf war gegen Ende des 18. Jahrhunderts aus eben diesen Gründen bis Mitte des 18. Jahrhunderts in unseren Breiten systematisch ausgerottet worden. Bis dahin war er ein sogenannter „Problem-Wolf“ – man vergleiche unseren „Problem-Bären“ Bruno von 2006.
Wie kam es aber dazu, dass der bedrohliche, „böse“ Wolf gerade in mittelalterlichen Zeiten in nicht wenigen Orts- und Personennamen vorkommt?
Im Landkreis Rosenheim gibt es die folgenden Wolf-Orte: Wolferkam bei Riedering, Wolfgraben bei Bruckmühl, Wolfrain bei Edling, Wolfsberg einmal bei Amerang, einmal bei Breitbrunn am Chiemsee sowie Wolfspoint bei Rohrdorf.
Im Landkreis Traunstein finden sich zweimal Wolfsberg, nämlich bei Siegsdorf und Waging am See. Außerdem: Wolfanger bei Tacherting, Wolfegg bei Obing, Wolfering bei Trostberg, Wolferting bei Grabenstätt, Wolfhausen bei Tacherting sowie Wolkersdorf – einmal bei Kirchanschöring, einmal bei Traunstein.
Der Ortsnamenforscher Josef Bernrieder leitete die meisten Rosenheimer Wolf-Namen nicht von der Tiergattung Wolf, sondern vom Personennamen Wolf ab.
Warum aber war im Mittelalter der Personenname „Wolf“ derart attraktiv, um sogar als Ortsname verwendet zu werden, trotz der heftigen Jagd auf den räuberischen, „bösen“, Wolf?
Eine Erklärung liefert der Theologe und Ortsnamenforscher Heinrich Gotthard in seinem Beitrag „Ueber die Ortsnamen in Oberbayern“, der 1849 in Freising erschienen ist. Darin heißt es: „Aus Thiernamen gestaltete sich eine kaum absehbare Menge von Benennungen. Wolf und Rabe (wolf, ulf – wir ergänzen: olf – u. hraban, ram) sind die Lieblinge Wuotans: Zwei Wölfe ‚Geri und Freki‘, nicht minder zwei Raben ‚Huginn und Muginn‘ (Denkkraft und Erinnerung) sind seine ständigen Begleiter. – Diese Tiere erscheinen darum in Namen am häufigsten.“
Gotthard zitiert sodann aus einer seiner Quellen: „Sie tragen die Vorbedeutung des Sieges in sich. Vor allem glücklich ist der Name Wolfram, der beide Thiere vereinigt.“
Der Wolf als Begleiter Wotans, der obersten heidnisch-germanischen Gottheit: Neben dieser theologisch bedingten Beliebtheit war der Wolf auch ein „Sinnbild des Kriegers“, wie es im „Historischen Deutschen Vornamenbuch“ von Wilfried Seibicke heißt. Somit war das Fortleben des Wolfes samt Namensergänzungen im Personennamen auch nach der christlichen Mission gewährleistet: Wolfdietrich, Wolfgang – St. Wolfgang am Wolfgangsee – Wolfhard, und so weiter.
Aber immerhin gibt es auch Ortsnamenschöpfungen, die direkt von der Tiergattung Wolf stammen. Der Name „Wolfloch“ des abgegangenen Ortes im Landkreis Ebersberg wird als „Wolfswald“ erklärt, wenn man „Loch“ hier als „Lohe“ deutet.
Ein „Wolfsgraben“ oder eine „Wolfsgrube“ erinnert an eine alte Methode, Wölfe in einer tiefen Grube per Köder (Lamm, Geiß, Geflügel) zu fangen.armin höfer