Was vor 100 Jahren, also 1925, in unserer Heimat geschehen ist, wirkt sich auf unser gegenwärtiges Leben und auch auf die Volksmusik aus. Wichtig ist das Wissen, was in Deutschland und Bayern los war, damit sich das volksmusikalische Geschehen einordnen lässt.
1925 – In Deutschland und der Welt: Unter Führung von Benito Mussolini wird im Januar in Italien eine faschistische Diktatur errichtet. Im Münchner Bürgerbräukeller gründet am 27. Februar Adolf Hitler die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) neu. Der Präsident der Weimarer Republik, Friedrich Ebert (SPD), stirbt am 28. Februar. Am 28. April wird der von den rechtsgerichteten Parteien unterstützte kaisertreue Antidemokrat und Generalfeldmarschall des Ersten Weltkriegs, Paul von Hindenburg, zum Reichspräsidenten gewählt.
Kurt Huber beginnt seine Volksliedsammlung 1925 in Oberbayern: Der Forschungsarbeit von Wolfgang A. Mayer am Institut für Volkskunde in München verdanken wir die Kenntnis eines Rundschreibens von Privatdozent Dr. Kurt Huber (1893 bis 1943) „An die gesamte bairische Lehrerschaft“ wohl aus dem Frühsommer des Jahres 1925, in dem er den Beginn seiner Sammelarbeit und die Erstellung von Tonaufnahmen von unveröffentlichten Liedern ankündigt: „Die Deutsche Akademie in München veranstaltet in ihrer musikalischen Sektion die Aufzeichnung und phonographische Aufnahme noch unveröffentlichter Volkslieder in allen deutschen Gauen. Die Aufnahmen in Altbayern werden noch im Monat August durchgeführt. An die gesamte bairische Lehrerschaft ergeht die herzliche und nachdrückliche Bitte, das bedeutsame vaterländische Unternehmen tatkräftig zu unterstützen. Vor allem die Herren Kollegen auf dem Lande sind gebeten, umgehend kurze Mitteilung zu machen über unbekannte oder wenig bekannte, namentlich ältere Lieder, die für die Aufnahme in Frage kommen, weiter über geeignete Sänger u. Sängerinnen, endlich über einzelne Personen, Familien, Vereinigungen, die über einen größeren Liedschatz verfügen, Gemeinden, in denen das Volkslied besonders gepflegt wird. Jeder, auch der kleinste Hinweis ist willkommen. Nur durch Zusammenarbeit aller Kräfte kann die schwierige Aufgabe erfolgreich gelöst werden.“
Kiem Pauli 1925 in der „Deutschen Stunde in Bayern“: Der Rundfunk in Bayern war im zweiten Jahr auf Sendung. Am 4. Februar ist der erste Auftritt vom Weiß Ferdl. Am 4. Juli gibt es die erste Übertragung von der Landshuter Hochzeit. Am 12. Juli wird über die Sender München und Nürnberg erstmals das Glockenspiel vom Münchner Rathaus (Melodie „Aber heit is kalt …“) übertragen.
In der „Deutschen Stunde in Bayern“ gibt es bis Juni 1925 am Abend immer wieder Live-Konzerte verschiedener kleiner oberbayerischer Instrumentalgruppen, so ein Zitherkonzert „Hoch Falkenstein“, die „Werdenfelser“ mit Nazi Eisele, das Miesbacher Terzett Ellmann-Dreher-Dietrich, das „Schlierseer Virtuosen-Trio“ mit Konzertmeister Karl Schwarz. Dazu kommen Vorträge über Heimatkunde, Klosterkultur (Wessobrunn), Heimatkunst (Klarinettenlandler), volkstümliche Sitten und Gebräuche. Der Kiem Pauli ist mehrmals zu hören als Musikant und als Sänger bei einem „Gastspiel des Egern-Tegernseer Original-Terzetts Reiter-Holl-Kiem“.
Neben Instrumentalweisen, Landlern und Schottischen standen auch unterhaltsame Lieder aus dem Repertoire vom Kiem Pauli auf dem Programm. Ein besonders gern gehörtes und gesungenes Lied ist das „Fensterllied“ mit dem Anfang „Wia scheint denn heut der Mond so schö, soid is a Drümerl weitergeh … zu mein Diandl sollt i geh“. – Und dann erfolgt eine unterhaltsame Zwiesprache zwischen zwei Sängern, die im vielsagenden „Holleradiria hollero …“ mündet. Wohl in jeder damaligen Rundfunksendung haben der Reiter Hansl und der Kiem Pauli dieses Lied zum Besten gegeben. ernst schusser