Stephanskirchen – Der Jazz-Saxofonist Mulo Francel ist wieder einmal in seiner Heimatregion aufgetreten, die er hymnisch lobte: In Riedering ist er aufgewachsen. So war der Antrettersaal gut gefüllt mit Bekannten und Jazzfreunden. Das Programm war ein Potpourri aus Francels Konzertjahren, mitgebracht hatte er musikalische Freunde: Chris Gall streute am Flügel immer neue Improvisations-Tongirlanden über die Jazzmelodien, am Kontrabass zupfte die junge Julia Hornung („zart und trotzdem virtuos“, scherzte Mulo Francel), fingerfertig und auch melodiös die Basslinien und verbreitete dauerhaft lächelnd gute Laune.
Souveräne
Lässigkeit
Robert Kainar beherrscht mit souveräner Lässigkeit sämtliche Schlaginstrumente und Rhythmen und sorgte entweder für den treibenden Rhythmus oder für besenrührende ruhige Momente. Mulo Francel selbst spielte auf mehren Instrumenten vom Tenor- und Sopransaxofon bis zur Klarinette und demonstrierte dabei immer wieder seinen betörenden Klang. „Südlichere Tage“ hieß ein Stück, das vom Saxofon angestimmt wurde, wozu sich der Kontrabass unisono dazugesellte, bis der Drummer den Rhythmus aufgriff und sich dann das Klavier sachte hineinschlich. Dieses Stück ist aus einer Sammlung von komponierten Gedichten, in diesem Herbstgedicht von Rainer Maria Rilke („Herr: es ist Zeit!“) heißt es: „…gieb ihnen noch zwei südlichere Tage…und jage die letzte Süße in den schweren Wein“. Mulo Francel jagt nicht, sondern legt in jedes seiner Instrumente die letzte Süße – auch in das „Melody Sax“, jenes Instrument, das eine kurze Blütezeit in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte, das in C gestimmt ist und nicht transponiert und das „nicht so seriös klingt“, wie Franzel schmunzelnd sagte.
Große
Klangsubtilität
Doch auch diesen etwas schmutzigeren Klang adelte Francel mit großer Klangsubtilität. Er spielte „The Man I love“ von George Gershwin darauf, mit sehnsüchtig-schmeichelnden Fiorituren verziert, von Chris Gall am Fender Rhodes Piano mit schwimmenden Harmonien begleitet und vom Schlagzeuger leidenschaftlich-mitfühlend grundiert. Sofort darauf herrschte „Hot Groove“ mit „I found a new Baby“ von Spencer Williams und Jack Palmer, von Mulo Francel ebenfalls auf dem Melody Sax – ja: gesungen.
Chris Gall produzierte auf dem Flügel solistisch geradezu Rachmaninoff’sche Klangfülle mit seiner Improvisation über „Reverie“ von Claude Debussy, ließ das Thema durch viele Harmonien wandern und immer wieder neu gewandet auftauchen.
Am Schluss des Konzerts spielten Mulo & Friends „Ikarus‘ Dream“ aus dem Album „Mythos“, das den griechisch-mythologischen Traum des Fliegens besingt: Dädalus baut seinem Sohn Ikarus Flügel, der aber wegen seines Hochmuts ins Meer stürzt, das heute deswegen Ikarisches Meer heißt. Auf der Klarinette begann Mulo Francel mit antikisch anmutenden Hirtenflötentönen, alles steigerte sich gewaltig an Klang und emotionaler Dichte bis zum Absturz.
Mit einem fröhlichen brasilianischen Tanz lockerten die Musiker danach die Stimmung wieder auf und verabschiedeten die enthusiasmierten Zuhörer mit einem Song „mit Fun-Faktor“, wie Francel sagte: mit dem Jazz-Standard „By Bye, Blackbird“ von Ray Henderson.