Zwischen Stadt und Land

von Redaktion

Gelungene Premiere von Lena Christs „Madam Bäurin“ in Flintsbach

Flintsbach – Mit der Premiere von „Madam Bäurin“ eröffnete das Volkstheater Flintsbach seine Jubiläumsspielzeit im traditionsreichen Theaterstadl. Unter der Regie von Martin Obermair kam eine Bühnenversion des gleichnamige Romans von Lena Christ zur Aufführung.

Der 1919 veröffentlichte Roman von Lena Christ bildet die Vorlage für eine feinfühlige Inszenierung, die das Spannungsfeld zwischen Stadt und Land, Herkunft und Eigenständigkeit mit leisem Humor und gesellschaftlicher Tiefe erzählt. Im Mittelpunkt steht die junge Rosalie, eine bürgerliche Tochter, deren Aufenthalt auf dem Land ihre Sicht auf das Leben grundlegend verändert. Dort begegnet sie Franz, einem jungen Bauernsohn, dessen unaufgeregte Art und Lebensklugheit sie zunehmend faszinieren. Zwischen vorgezeichneter Heirat in der Stadt und neuer Lebensrealität auf dem Land entspinnt sich eine Geschichte über Selbstbestimmung, soziale Grenzen und weiblichen Mut – Themen, die auch heute noch berühren.

Mit spürbarer
Präsenz

Im Zentrum des Ensembles beeindruckte Marlene Obermair als Rosalie. Mit großer Natürlichkeit und spürbarer Präsenz gestaltete sie den inneren Wandel ihrer Figur – von der angepassten Tochter zur selbstbewussten jungen Frau, die bereit ist, eigene Wege zu gehen. Ihre Darstellung war geprägt von klarer Sprache, ausdrucksstarker Mimik und einer bemerkenswerten Ruhe, die sie zum tragenden Mittelpunkt der Aufführung machte.

Mit stiller Präsenz und glaubhafter Zurückhaltung ließ Matthias Reiter den Franz lebendig werden – eine Figur, die nicht durch große Gesten auffällt, sondern durch innere Stärke und leise Klarheit überzeugt. Dass diese feine Charakterzeichnung so eindrucksvoll wirkte, ist nicht allein seiner sensiblen Darstellung zu verdanken, sondern ebenso der präzisen Regie, die den Raum für solch nuanciertes Spiel klug eröffnet hat.

Lisa Obermair als Rechtsratswitwe Scheuflein und Mutter von Rosalie war ein starker Gegenpol: herrisch, kontrollierend, gesellschaftlich ehrgeizig – eine Figur, die dank klug gesetzter Regieanweisungen und eines klar strukturierten Dialogbuchs ihre Wirkung mit jeder Szene steigerte. In der Rolle der Schiermoserbäuerin und Mutter von Franz brillierte Christine Wilhelm mit Energie, Schlagfertigkeit und starker Bühnenpräsenz. Ihre Figur – zwischen Mutterstolz, Geschäftssinn und Vorurteilen angesiedelt – wurde nicht nur durch das Spiel lebendig, sondern auch durch sorgfältig geplante Szenenführung und wohl platzierte Spannungsmomente.

Dem Schiermoserbauern verlieh Bernhard Obermair eine ruhige, bodenständige Autorität durch zurückhaltende Gestik und trockene Direktheit – als stiller Gegenpol zur Nervosität der Städter. Als Adele Scheuflein brachte Marianne Kraus mit feinem Gespür für Nuancen eine Mischung aus distanzierter Beobachtung, ironischem Unterton und gepflegtem Standesdünkel auf die Bühne. Ihre Darstellung verlieh dem städtischen Blick auf das Landleben leise Überheblichkeit – und sorgte zugleich für elegante Brechungen im sozialen Spannungsfeld.

Auch die Nebenrollen waren dramaturgisch geschickt angelegt und überzeugend ausgefüllt: Der steife, leicht überhebliche Assessor von Rödern, gespielt von Dominik Holten, wirkte exakt so fehl am Platz, wie es das Drehbuch verlangt. Matthias Obermair brachte als Hias mit verschmitztem Witz und hoher Spielfreude frischen Schwung in jede Szene.

Die Inszenierung von „Madam Bäurin“ verlangte dem Ensemble und der Spielleitung alles ab – und wurde genau deshalb zu einem eindrucksvollen Theatererlebnis. Das Stück ist sprachlich vielschichtig, atmosphärisch dicht und verlangt eine präzise Balance zwischen feiner Komik und tiefer Ernsthaftigkeit. Die Figuren sind komplex, voller innerer Widersprüche und sozialer Spannungen, ihre Dialoge leben vom Andeutenden, vom Ungesagten – sie fordern ein feines Gespür für Rhythmus, Stille und Zwischentöne.

Spielleiter Martin Obermair vertraute in seiner Inszenierung ganz auf die Kraft des Originals und das differenzierte Spiel seiner Darsteller. Er verzichtete bewusst auf überladene Effekte und ließ stattdessen stille, nachwirkende Szenen und wohldosierten Humor für sich sprechen. So entstand eine fein austarierte, stimmungsvoll dichte Aufführung, die dem Geist Lena Christs ebenso gerecht wurde wie der emotionalen Tiefe und gesellschaftlichen Relevanz ihres Werks.

Musikalische Klammern gesetzt

Das Bühnenbild von Bernhard und Simon Obermair setzte auf Authentizität und Detailfreude: Schiermoser-Hof, der Markt in Glonn, das Gästezimmer und die weiteren Kulissen ließen das Jahr 1919 lebendig werden. Die Kostüme vermittelten ein glaubwürdiges Bild des ländlichen Milieus jener Zeit. Besonders hervorzuheben war die neu komponierte Musik, die stilistisch fein abgestimmt zwischen den Szenen erklang und live von der Theatermusik gespielt wurde – eine klangliche Klammer, die dem Abend zusätzlichen Charme verlieh.

Das Premierenpublikum war spürbar begeistert: Immer wieder wurde Szenenapplaus gespendet, pointierte Dialoge sorgten für herzliches, befreiendes Lachen – und am Ende wollte der Applaus kaum enden.

Bis 17. August

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