Noch immer wird „Bin i da Boarisch Hiasl“ gesungen

von Redaktion

Aus der Volksmusikpflege Erzählende Lieder von einem bayerischen „Volkshelden“ im 18. Jahrhundert

Wenn von einem Räuber und Mörder, der im 18. Jahrhundert gelebt hat und der 1771 hingerichtet wurde, heute immer noch „inbrünstige“ Lieder gesungen werden, dann ist das nicht alltäglich. Vielleicht macht auch einmal ein Regisseur einen neuen bayerischen „Heimatfilm“ über sein Leben – oder was davon filmreif ist?

„Bin i der Boarisch Hiasl,

koa Jager hat a Schneid,

der mir mei Feder und
Gamsbart vom Hiatl obakeit.“

Laut den Aufzeichnungen vom Kiem Pauli vor 100 Jahren haben die Menschen und die Sänger im Oberland, im Inntal und im Chiemgau in vielen unterschiedlichen Texten den „Boarischen Hiasl“ in ihre Region „eingemeindet“: Sein Mut gegenüber den Jägern und sein Hut mit dem Federschmuck – und besonders dem gebirglerischen Gamsbart – zeugen von der Identifikation mit ihm: Wie ein Wildschütz aus den eigenen Reihen wird er besungen.
„Im Wald drauss is mei Hoamat,

im Wald drauss is mei Lebn, da schiaß i Reh und Hirscherl und Wildschwein a danebn.“

Auch die unterschiedliche Auffassung, wem denn das Wild „gehört“, thematisieren diese Hiasl-Lieder: Der Obrigkeit oder den Menschen? Eine zentrale Frage war dies nicht nur um 1770, in der Zeit der Unzufriedenheit der einfachen Leute („Bauern“) mit der Obrigkeit und den Fürsten und Königen. Dies führte zu Rebellionen und auch zur Französischen Revolution.

„Das Wild auf weiter Erde

ist freies Eigentum,

drum lass ich mich nicht hindern,

denn wer‘s net schiaßt is dumm.“

Die Adeligen sorgten wegen ihrer Jagdunterhaltungen für einen übergroßen Wildbestand, der mangels Futter im Wald die Felder der Bauern überfiel und verwüstete. Trotzdem mussten diese der Obrigkeit die Abgaben entrichten, was zur Armut in schweren Jahren beitrug. Der Hiasl und seine „Kollegen“ dezimierten den Wildbestand auf ihre Weise und halfen damit den Bauern:

„Ich schütze ihre Felder

mit meine tapfern Leut,
und wo i hinkomm, schrein sie: Da Hiasl unser Freund!“

Der „Boarische Hiasl“ trieb sein von den einfachen Leuten unterstütztes, aber von der Herrschaft bekämpftes „(Un)Wesen“ meist im Raum zwischen Augsburg, Schrobenhausen und München. Aufgrund der damaligen kleinteiligen Herrschaftsgebiete konnte er bei Verfolgung immer wieder in andere Gebiete mit anderen Obrigkeiten ausweichen. Wohl von der schwäbischen Bevölkerung erhielt er auch wegen seiner Kleidung den Rufnamen „Boarisch Hiasl“.

„I bin der Fürst der Wälder,

koa Jaga is ma gleich,

so weit der Himmel blau is,

so weit geht auch mei Reich.“

Es ist das „Widerständige“, der Mut und das Eintreten für die einfachen Leute, das die Altbayern an ihren Helden aus dem einfachen Volk lieben und noch über Generationen lebendig halten – nicht nur in Liedern und Erzählungen, auch in Theaterstücken und Volksschauspielen. Das Leben von Mathäus Klostermaier wurde von den Volksliedsängern vielfach bedichtet, mit anderen Lebensläufen verbunden und immer aufs Neue aktualisiert. Klostermaier – vulgo „Boarisch Hiasl“ – ist am 3. September 1736 in Kissing geboren. Am 6. September 1771 wird er in Dillingen gar grausam und abschreckend hingerichtet. Wenn nur die Hälfte aus den Erzählungen über sein Leben zutrifft, dann war er wohl der Volksheld, den sich die einfachen Leute immer wünschen.

Gern singen wir als Bänkelsänger auf Straßen und Plätzen oder im Wirtshaus dieses Lied – und die Leute singen gern und kräftig mit. Manche wünschen sich symbolisch manchmal auch heutzutage einen „Boarisch Hiasl“. Über seinen Tod heißt es:


„Da werd sich‘s Wild vermehren

und springen kreuz wohlauf, und Bauern werden ruafen:

Geh Hiasl, steh doch auf!“

Natürlich ist es nur ein Lied – aber Lieder sind manchmal auch Gradmesser für Befindlichkeiten der Menschen, besonders wenn sie in der „Ich-Form“ gesungen werden.ernst schusser

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