E-Mails vom Schmierfink

von Redaktion

Wasserburger Theatertage Grandiose szenische Lesung des Metropoltheaters

Wasserburg – Das Münchner Metropoltheater zeigte mit „Post von Karlheinz“ ein aufrüttelndes und zugleich humorvolles Stück, mit dem der Autor Hasnain Kazim Hass und Hetze im Internet feinsinnig und unglaublich lustig entwaffnet.

Hasnain Kazim wurde 1974 in Oldenburg geboren. Seine Kindheit verbrachte der Sohn indisch-pakistanischer Einwanderer in Stade bei Hamburg. Kazim studierte an der Hamburger Bundeswehr-Universität Politikwissenschaften. Er diente als Marineoffizier. In den Jahren 2009 bis 2019 war Kazim als Journalist beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ tätig. Gegenwärtig lebt er als freier Autor in Wien.

Wut-Hass-Nachrichten
beantwortet

Hasnain Kazim bekam tagtäglich hasserfüllte Leserpost. Doch statt die Wutmails von „besorgten Bürgerinnen und Bürgern“ einfach wegzuklicken, schrieb der Journalist ganz einfach zurück. Anstatt den absurden, meist hasserfüllten und oft auch sehr verstörenden Nachrichten mit reiner Empörung zu begegnen, bewahrte Kazim stets Haltung. Mit feinsinniger Ironie und gelegentlich auch Spott entlarvte er die wüsten, rassistischen Beschimpfungen, die meist weit unter die Gürtellinie gingen. Mit scharfem Verstand und feinem Sprachgefühl zeigte er, was hinter den Vorurteilen steckt: Angst, Unwissenheit und ideologische Verblendung.

Die besten Schlagabtäusche haben Einzug in Kazims Buch „Post von Karlheinz“ gefunden. Darin hält Kazim ebenso klug wie unterhaltsam den Karlheinzen in unserem Land den Spiegel von Ignoranz und Dummheit vor. Was zunächst wie ein schriftliches Scharmützel klingen mag, erweist sich als intelligenter, sprachlich gewandter und bedeutsamer Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte im Umgang mit Hass, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Jochen Schölch inszenierte die literarischen Vorlage „Post von Karlheinz“ als szenische Lesung. Mit Lucca Züchner, Thorsten Krohn, Thomas Schweiberer und Bijan Zamani als Hasnain Kazim hatte der Intendant des Münchner Metropoltheaters eine Idealbesetzung gefunden. In den zahlreichen Postings und den „E-Mails vom Schmierfink“, wie Kazim gerne von seinen Gegnern bezeichnet wird, ging es dann auch so richtig zur Sache. Vor jeweils vier Lesepults standen die vier Protagonisten in einer Reihe. Thorsten Krohn las und spielte den unbelehrbaren Nazi, der unverhohlen den NS-Staat am liebsten sofort wieder auferstehen lassen würde. Luca Züchner war als etwas gemäßigtere „Patriotische Europäerin gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) noch eher Kazims Argumenten zugänglich. Thomas Schweiberer wiederum sorgte als rechter Wirrkopf und bekennender AfD-Anhänger für jede Menge Lacher, wenn er emotional völlig entrückt seine widerwärtigen Botschaften mit schier endlosen Frage- und Ausrufezeichen untermauerte.

Zum Abschluss
Eichendorff

Bijan Zamani übernahm in den rund zwei Stunden exzellent gespielter „Lesung“ die Rolle Kazims, der sich gegen die Pöbeleien und Anfeindungen bis hin zur Gewaltandrohung mit Charme und geistreichem Esprit behauptete. „Arbeiten wir daran, dass Deutschland ein freundliches Land bleibt“, lautete seine bewegende Botschaft. Fast schon versöhnlich sangen dann alle vier Akteure gemeinsam „Ich möcht‘ als Spielmann reisen weit in die Welt hinaus und singen meine Weisen und gehn von Haus zu Haus“. Mit dem Volkslied „In einem kühlen Grunde“ von Joseph Freiherr von Eichendorff und einem stürmischen Schlussapplaus endete ein wirklich grandioser Theaterabend.

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