Es ist ein eher städtisches Phänomen der überlieferten regionalen Volksmusik: die Straßensänger mit ihrer Bildertafel, teils mit Leierkasten und anderen Instrumenten auf öffentlichen Plätzen – und die Straßenmusikanten. In früheren Zeiten gab es auch die Hofsänger, die in den Hinterhöfen der Wohnquartiere ihre Lieder sangen und auf eine kleine finanzielle Gegengabe hofften zum Lebensunterhalt.
Lieder und Musik auf der Straße, im öffentlichen Raum, ganz analog – das gibt es Gott sei Dank noch heute – oder wieder. Das erfreut viele Menschen, die stehen bleiben, zuhören oder auch mitmachen.
Diese Aktivierung der Passanten, die Chance auf Zufallshörer für Volksmusik – und vor allem gesungene Klänge im öffentlichen Raum ohne Perfektionismus und mit Aufforderung zum Mitmachen und Selbersingen – das war es, was uns vor ungefähr 35 Jahren bewogen hat, selber auf die Straße zu gehen und zu singen.
Am damaligen „Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern“ in Bruckmühl hatten wir viele alte Quellen bis ins 17. Jahrhundert von Straßensängern und „Zeitungssängern“ gesammelt. Diese waren mit ihren „Neuesten Liedern“ oft auch Informationsträger für die Grundschichten der Bevölkerung, die weder lesen konnten noch Bücher oder Druckwaren besaßen.
Einzig die eingängigen Melodien, die spannenden gesungenen Geschichten und die kleinen, billigen Textheftchen mit den sogenannten „Neuesten Liedern“ waren der Zugang für die einfachen Leute: Besungen wurden neben alten – aber immer noch aktuellen – Balladen von der verführenden „Markgräfin“, vom „Bettlmandl“ oder der „Brombeerpflückerin“ auch die Moritaten und Küchenlieder von „Mariechen“, „Lenchen“ oder „Sabinchen“. Dazu kommen die Geschichten vom „Boarischen Hiasl“, vom „Räuber Kneißl“, von Räubern und Wildschützen oder dem „Wirtssepperl von Garching“ und vielen anderen.
Die Leute schätzten die herumziehenden Musikanten und Sänger und oft schallte der Ruf durch ein Dorf oder im Wohngebiet: „Die Bänkelsänger kommen!“ – und die Leute kamen heraus, öffneten die Fenster oder blieben als Passanten stehen.
Als „Moritatensänger“ mit Balladen und Liedern von „Bayerischen Helden“ haben wir 1989 begonnen, beispielsweise am Kirtamontag im Bauernhausmuseum Amerang. Alsbald sollten wir in vielen Orten und Städten in Oberbayern und auch in Salzburg auf der Straße singen – mit Bildertafel, Akkordeon und Gitarre, Straßenmusik mit Teufelsgeige und Bombardon war auch gefragt – und wir taten es gern. Es entwickelten sich viele Freundschaften beim Singen – aber es war auch viel Zeit, Kraft und Geschick notwendig. Allein die Bildertafeln zu den Liedern wurden in tagelanger Arbeit erstellt – bisher über 50 verschiedene Geschichten.
Der Volksmusikpfleger des Bezirks Oberbayern, Leonhard Meixner, hat nach unserem Renteneintritt die Utensilien für den Bänkelsang unserem „Förderverein Volksmusik Oberbayern“ übereignet, besonders auch die Holztafel vom Linhuber Sepp, an der die Bilder aufgezogen werden. Und natürlich die acht kleinen farbigen Taschenliederheftchen, in denen alle Lieder stehen – und die wir kostenlos für die Passanten und „Stehenbleiber“ zum Mitsingen austeilen. Volksmusik auf der Straße – anders als die historischen „Bänkelsänger“ stehen wir auf ebener Erde und nicht auf einer kleinen Holzbank.
In den nächsten Tagen sind wir mit den „Balladen, Moritaten und gesungenen Geschichten“ wieder unterwegs, auch im Verbreitungsgebiet des Oberbayerischen Volksblatts und seiner Heimatzeitungen: Heute in Rosenheim, am nächsten Samstag in Mühldorf, am Sonntag in Eichstätt, bei den Montagsingern am 21. Juli in Bruckmühl oder beim „Singen am See“ in Hartmannsberg am 23. Juli laden wir zum Zuhören und Mitmachen ein.ernst schusser