Brannenburg – Der bedeutende Lyriker Rainer Malkowski, der leider viel zu früh verstorben ist, hat sein Haus im idyllischen Teil Brannenburgs der Akademie der Schönen Künste vermacht. Eine Stiftung sorgt dafür, dass regelmäßig Künstler aller Sparten nachhaltig gefördert werden können. Aktuell lebt und arbeitet die aus Griechenland stammende Komponistin Irini Amargianaki als Stipendiatin in diesem großzügig ausgestatteten Ambiente.
Zu einem ausgedehnten Komponisten-Selbstporträt versammelte sich eine sehr kundig-interessierte Hörerschaft aus rechtlichen Gründen als „geschlossene Gesellschaft“. Winfried Nerdinger von der Akademie begrüßte die Gäste.
Wie komponiert eine Griechin, die schon lange in Berlin lebt, bestens der deutschen Sprache mächtig ist und von der obersten Etage der Musikszene hofiert wird: Erste Kräfte interpretieren ihre Werke und Maestro Daniel Barenboim dirigiert! Der herzerfrischend entspannte Abend wurde nie zu einer hochnäsig-elitären Show. Die temperamentvolle Komponistin (Jahrgang 1980) erzählte anschaulich von ihren Wurzeln, ihren Vorbildern und Einflüssen und von ihren „Visionen“. Die Einflüsse stammen weder vom allgegenwärtigen Syrtaki noch von der populären Musik eines Theodorakis; sie liegen tiefer, auch Arabisches oder mikrotonale Aufspaltungen der Tonleiter gehören in ihr Repertoire. Im sehr persönlichen Gespräch mit ihrem Kollegen, dem Komponisten Minas Borboudakis (Jahrgang 1974), erzählte sie, dass das Ansprechen des Hörers, der ihre Musik emotional nachvollziehen soll, wichtig sei. Der Gesprächspartner meinte sogar, manche rhythmische Passagen würden sogar wie gesprochene Sätze wirken.
Zu Beginn des Abends gaben Videoaufnahmen einen Einblick in die klangliche Welt der Irini Amargianaki: Eine sehr suggestiv unmittelbare Gesangsszene mit dem Titel „Eumenides“ (es handelt also von den Rachegöttinnen) riss die Hörer hinein in eine harte, archaische Welt. Der Solosopran reizte fast alle Möglichkeiten der menschlichen Stimme aus und das Ensemble überraschte mit flackernder, irisierender Klangpalette. Die Percussion entfaltete sich ungemein differenziert. Amargianaki ist eine sensible, genau kalkulierende Komponistin, welche auch die aufschäumenden Emotionen mit dem Intellekt steuert und unter Kontrolle hält.
Der Höhepunkt der musikalischen Präsentation aber war die Live-Aufführung zweier Klavierzyklen, einmal die „Cycloids“ von Minas Borboudakis und schließlich die „Klavierminiaturen I-X“ von Irini Amargianaki.
Als begnadete Interpretin auf dem Flügel waltete Kathrin Isabelle Klein ihres Amtes. Sie hatte sowohl die schwirrenden Kaskaden als auch die halsbrecherischen Sprünge nicht nur technisch perfekt gespielt, sondern gerade auch das Anliegen dieser Musik überzeugend verinnerlicht!
Zwei Details der Stücke von Amargianaki haben sich besonders eingeprägt: Ein „Trommelfeuer“ in der Bassregion wurde immer wieder aufgelockert durch Akzentverschiebungen, durch Rhythmen, die den Grundrhythmus überlagerten. Dass Triller nicht nur Verzierungen sein müssen, sondern körperhaft sogar zu Bedrohungen werden können, wusste Kathrin Isabelle Klein mit furioser Brillanz spürbar zu machen.
„Neue Musik“ so präsentiert animierte das Publikum zu einhellig enthusiastischem Beifall. Walther Prokop