Weisheit, Liebe und weniger Sorgen

von Redaktion

Hans Sigl liest bei den Tiroler Festspielen Erl Texte von Stefan Zweig und Jorge Bucay

Erl – Er versprach den Zuhörern, dass sie „mit Weisheit, Liebe und vielleicht auch ohne Sorgen“ nach Hause gehen würden, wenn sie seiner Lesung im Festspielhaus Erl gelauscht haben: Hans Sigl, Schauspieler, Moderator und Rezitator und im Nebenberuf „Bergdoktor“.

Sigl las Texte von Stefan Zweig, aus dessen letztem Buch „Die Kunst, ohne Sorgen zu leben“ die Titel-Geschichte von Anton, der guten Seele Salzburgs. Der hatte keinen Beruf, ging aber jeden Tag spazieren und half dabei anderen Leuten, reparierte, was lose, machte ganz, was kaputt. Er habe gleichsam ein antikapitalistisches System erfunden, schreibt Zweig, denn er nahm nie Geld und wollte sich nirgends bereichern. Zweig bezeichnet dies als „großes Lebensgeheimnis“, denn Anton besaß zwar nichts, war aber reich an sozialem Kapital. Wenn nur alle diese „Reziprozität des Vertrauens“, wie Zweig schreibt, beherzigten, dann müsste es „keine Polizei, keine Gerichte, keine Gefängnisse, kein Geld“ mehr geben, so Zweig.

In der zweiten Geschichte, „Nur Mut!“, ging es um einem Mitschüler Zweigs, dessen Vater wegen Schwindels in einem Finanzunternehmen verhaftet wurde. Zweig bereute es, damals nicht die richtigen Worte für den geknickten Mitschüler gefunden zu haben, denn der verließ die Schule und wurde Apothekerlehrling.

Begonnen hatte Sigl mit lehrreichen und lebensphilosophischen Erzählungen des argentinischen Psychiaters und Autors Jorge Bucay, der mittels Geschichten seinen Patienten zu helfen versucht. So zum Beispiel mit der Geschichte vom Zirkus-Elefanten, der sich leicht von seinem Pflock, an dem er angebunden ist, lösen könnte, es aber nicht tut – weil er als kleiner Elefant es nicht konnte.

Sigl hatte sein Publikum schnell im Griff, flirtete mit ihm, charmierte, animierte und umschmeichelte es, indem er anfangs Tucholskys Gedicht „Das Ideal“ im – etwas angestrengten – Tiroler Dialekt vortrug. Vortragen, das kann er, mit Sinn für Verzögerungen, Pausen und Pointen.

Seine Texte wären noch wirkungsvoller gewesen, wenn er nicht durch sie gehastet und gehudelt wäre und wenn er nicht so selbstverliebt sie kommentiert und interpretiert hätte: Er las nicht, sondern spielte, dass er las. Als Partnerin hatte er Katharina Königsfeld mitgebracht, die am Flügel in anmutiger Pose gefällige Salonmusik beisteuerte. Den recht zahlreichen Zuhörern hat‘s gefallen.

RAINER W. JANKA

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